Titel: Ein Tag im Leben von Tarja Turunen
Autor: Minä, also Deische Järvisto
Personen: zu viele um sie alle Aufzählen zu können, aber eben auch Eicca, Perttu, Mikko und Paavo
Bands: ebenfalls zu viele Von SA, über NGT, 69Eyes bis hin zu Children of Bodom alles irgendwie vertreten^^ und Apo natürlich nicht zu vergessen^^
Disclaimer: Mir gehört das kranke Gehirn, dass nötig war um so etwas zu produzieren
Claimer: Die Idee entstammt meiner eigenen Fantasie, ergo liegt das Copyright ausschließlich bei mir und jedes Übernehmen gleicht einem Diebstahl. Die Personen gehören selbstverständlich sich selbst und dieser OneShot ist niemals so geschehen.
FSK: 16
PoV: Tarja Turunen
Genre: Komödie, ganz klar Comedy
Warnings: Lachanfallgefahr ^.^
Inhalt: Eine Mutter hat’s nicht leicht. Und eine Mutter von fünf teils aufmüpfigen und pubertierenden Jungs hat es erst recht nicht leicht. Dazu noch einen kreischender Vogel, einen bellender Hund, einen Musikmachenden Ehemann und das Chaos ist perfekt. Aber trotz allem liebt Tarja Turunen ihr Leben. Hier ist ein Ausschnitt davon.
AN: Ich danke vielmals der äußerst lieben Svenja, dass sie sich trotz Umzug und Studiumsabschlusses zum betalesen bereit erklärt hat. Hab dich lieb *.*
Und das war’s jetzt von mir. Also nein, der ziemlich lange OS kommt ja noch, aber mit meinem Vorgequatsche ist jetzt Schluss. Viel Spaß! *Kekse hinstell*
Ein Tag im Leben von Tarja Turunen
“Living easy, loving free
Season ticket on a one-way ride
Asking nothing, leave me be
Taking everything in my stride
Don't need reason, don't need rhyme
Ain't nothing I would rather do
Going down, party time
My friends are gonna be there too
I'm on the highway to hell
on the highway to hell
highway to hell
I'm on the highway to hell…”
Mein Wecker kriegt ganz gehörig einen über den Schädel gebraten, wenn er nicht gleich mal still ist. Da kommt man gerade zur Ruhe, hat halbwegs Ordnung im Haus gemacht und will dem Körper mal die benötigte Menge Schlaf gönnen und dann kommt das dumme Ding und läutet schon einen weiteren Tag ein. Was für eine Ungerechtigkeit! Wer kam eigentlich auf die selten dämliche Idee, so etwas wie einen Wecker zu erfinden? Den sollte man standrechtlich erschießen!
Aber nun gut, ich muss ja aufstehen, meine Kids müssen schließlich in die Schule. Und diesen Umstand finde ich auch äußerst praktisch, dann habe ich nämlich Ruhe. Also so wirkliche Ruhe zu Hause.
Gleich wieder etwas besser gelaunt stehe ich also auf. Um kurz vor halb sechs schon in der Küche stehen und Brote schmieren… Was für ein Leben habe ich mir da eigentlich ausgesucht? Und währenddessen winselt unser Hund fleißig um meine Beine herum, weil er hofft, ich könne eine Scheibe Wurst fallen lassen. Pech gehabt, Kleiner, dafür pass ich schon auf!
„Lordi: hör auf jetzt! Platz!“
Der recht kleine Mischling mit schwarzem, zerzaustem Fell lässt die spitzen Ohren fallen, zieht den Schwanz ein und verkriecht sich unter dem Küchentisch. Na endlich. Wer hat dem eigentlich das Betteln beigebracht? Kann doch nur eins der Kinder gewesen sein. Oder gleich alle auf einmal. Wer weiß das schon.
„Lordi Platz. Lordi Platz“, kreischt es aus dem Wohnzimmer. Wer hat denn Lauri gestern Abend schon wieder nicht das Tuch über den Käfig gelegt? Ich werde noch wahnsinnig hier. Unsere Krähe, Wellensittich, Papagei oder was das Vieh auch immer darstellen soll, quatscht einem nämlich den gesamten Tag die Ohren voll. Aber Matti wollte ja unbedingt so’n Vogelvieh haben. Da ich von solchen Tieren aber keinen blassen Schimmer habe, weiß ich auch nicht, was das genau ist. Solange Matti das weiß.
Nach und nach werden die Quälgeister auch mal wach. Aus sämtlichen Zimmern ertönen die verschiedensten Wecker und ein verschlafenes Gesicht nach dem anderen tapert in die Küche.
„Morgen Mama. Sag mal, hatte ich schon erwähnt, dass ich heute eine Stunde später erst Schulschluss habe?“
Der blonde und mit Abstand frechste Junge in diesem Haushalt sieht mich mit einem Blick an, bei dem ich schon genau weiß, was das bedeutet. Ich verdrehe die Augen.
„Was hast du nun schon wieder angestellt, Sammy?“
„Gar nichts, ehrlich! Ich habe dir doch schon mal von diesem Samu erzählt, oder? Der hat allen Ernstes behauptet, dass ich meine Haare nur blondieren würde, weil alle Anderen aus unserer Familie dunkle Haare haben. Das konnte ich doch wohl nicht auf mir sitzen lassen! Das war sozusagen Notwehr. Und du hast immer gesagt, dass wir uns wehren dürfen.“
Und da soll noch mal einer fragen, warum ich so langsam aber sicher verrückt werde. Hallo?! Mein Sohn geht auf andere los, weil der sagt seine Haarfarbe sei nicht echt! Ist Sammy denn noch ganz echt?! Jetzt mal abgesehen davon, dass er nicht der einzige Blonde bei uns ist, aber dieser Samu kennt Ville offensichtlich nicht. Woher auch, der geht ja noch in den Kindergarten.
„Das ist jetzt hoffentlich nur ein Scherz gewesen, oder?“
„Wieso? Dieser Samu Haber ist total durch geknallt. Der provoziert mich immer, da kann ich nichts für! Und dann redet er ständig auf Deutsch, wenn ich irgendetwas nicht mitkriegen soll. Das ist doch voll unfair! Kannst d…“
„Stopp! Sei einfach ruhig, gib mir den Zettel zum Unterschreiben und zieh dich an. Will dein Lehrer mich wieder sehen? Und sag die Wahrheit!“
Sammy rückt den Zettel heraus und verschwindet hoch in sein Zimmer.
Auf der ‚Elternmitteilung‘ steht in krakeliger, roter Schrift, dass mich Herr Valo erneut zu einem Gespräch bittet. Und zwar heute um vierzehn Uhr. Na gut, gleich mal in den Kalender eintragen. Bei den ganzen Terminen hier, vergesse ich sonst nämlich die Hälfte. Mal sehen… wann war das? Heute um v… HEUTE?! Ich sehe mir den Elternbrief genauer an und muss feststellen, dass Herra Valo den schon vor einer Woche geschrieben hat. Oh Sammy, warte, das wird noch ein Nachspiel haben!
„Sammy! Sofort antanzen!“, rufe ich durch’s Haus, es müssen eh alle aufstehen, also was soll’s?
„Was schreist du denn so? Guten Morgen erstmal, mein Schatz.“
Tuomas kommt in Shorts bekleidet in die Küche gewatschelt und streicht sich die total durcheinander hängenden Haare aus dem Gesicht, bevor er mir einen Kuss gibt.
„Dein Sohn hat sich schon wieder geprügelt und sein Lehrer bittet mich schon wieder in die Schule!“
„Welcher Sohn? Ich hab so viele“, gähnt er herzhaft und fischt sich eine Tasse aus dem Schrank, um diese mit Kaffee zu füllen.
„Na wer wohl?“
In diesem Moment lugt Sammy um den Türrahmen. „Du hattest nach mir gerufen?“
„Ach der Sohn!“
„Ja, genau der“, ich wende mich von meinem Mann ab und gehe bedrohlich auf Sammy zu, „so, mein Freundchen, und nun zu dir: Warum bekomme ich diesen Brief erst heute? Du hast ihn seit einer Woche. Sieben voll Tage!“
„Ich hatte ihn vergessen, der war zwischen meine Hausaufgaben gerutscht und…“
„Hausaufgaben, die du mal wieder nicht gemacht hast, richtig? Das ist doch immer dasselbe mit dir. Ordnung, Sammy, Ordnung ist so wichtig, wann begreifst du das endlich?“
„Schönen guten Morgen!“, kommt es einstimmig von Perttu, Jussi und Matti, die alle drei fröhlich gelaunt in die Küche stürmen. Matti schnappt sich sogleich einen Smoothie aus dem Kühlschrank – Memo an mich selbst: Ich muss dringend neue kaufen, sonst wird der unmöglich! – Perttu nimmt sich seine Brotdose und setzt sich auf den Tisch. Er muss erst wieder ganz genau untersuchen, was ich ihm zum Frühstücken eingepackt habe. Tja und Jussi formt eigentlich die ganze Zeit weiter an seinen Haaren, die er mal wieder zu spitzen Stacheln gegelt hat.
„Perttu, runter vom Tisch, wie oft soll ich dir das noch sagen?“ Von wem hat er das eigentlich? Niemand von uns macht das. Komisch…
„Darf ich jetzt den Zettel wiederhaben?“, fragt Sammy mit einer Stimmlage, von der ich für ihn hoffe, dass es nicht genervt ist!
„Ja, hier und dann zieh dich endlich an, ihr müsst los. Matti, in den gelben Sack, wie oft noch? Und Jussi, wasch dir gefälligst das ekelige Zeug von den Händen, bevor du in die Küche kommst. Du saust mit deinem Gel immer alles ein.“
„Das wird mir hier zu voll, ich geh duschen“, murmelt mein ach so geliebter Mann und lässt mich mit der Rasselbande hier alleine. Na danke auch, du hattest auch deinen Spaß daran, diese frechen, vorlauten und mit allen Wassern gewaschenen Kinder in die Welt zu setzen. Zumindest bei der Entstehung, beim In-Die-Welt-Setzen hatte wohl niemand wirklich Spaß dran. Irgendwie tut’s mir ja schon leid, wie ich Tuomas damals im Kreißsaal angemeckert und ausgeschimpft hatte.
„Mama, hast du mein Fußballtrikot schon gewaschen? Heute ist doch wieder Training.“
„Aber natürlich, Perttu! Leg ich dir nachher auf dein Bett.“ Verdammt, ich muss die Maschine endlich anstellen und danach sofort den Trockner!
„Super. Eicca hat mir gestern Abend nämlich noch geschrieben, dass wir heute das Auswahlverfahren machen, wer wie aufgestellt sein wird bei dem Spiel am Wochenende, und ich will unbedingt als Stürmer mit dabei sein! Aber das darf ich sicher nicht mit einem dreckigen Trikot.“
Ähm, Spiel am Wochenende? „Kein Problem. Wo war das Spiel noch mal?“
„In Espoo, hab ich dir doch schon gesagt. Mama, du wirst alt.“
Damit entschwindet mein Sprössling aus der Küche.
Seufzend stelle ich Brettchen und Messer in die Spülmaschine und lege den Aufschnitt wieder zurück in den Kühlschrank.
„Darf Sör heute nach der Schule mit hierhin kommen?“
Während Jussi noch immer mit seinen Stacheln beschäftigt ist, sieht mich Matti fragend an.
„Wer ist denn jetzt schon wieder ‚Sör‘?“
„Na Jukka. Ich nenne ihn nur noch Sör. Ist eine ziemlich lange Geschichte. Also darf er?“
„Wenn ihr friedlich seid, während ich euren Bruder zum Fußballtraining fahre, ja.“
„Natürlich sind wir das. Du kennst uns doch.“
„Ja, eben deshalb ja! Das letzte Mal, als ihr hier alleine ward, habt ihr mit Papas Axt rumgespielt.“ (Matti/Matthau mit Axt)
Doch als ich die Geschirrspülmaschine schließe und mich anschließend umdrehe, muss ich feststellen, dass sich Matti schon längst verabschiedet hat. Na toll, nette Söhne habe ich mir da zurecht erzogen.
Jetzt brauche ich erst einmal Kaffee! Mhm, alleine schon dieser Geruch beim Eingießen… Köstlich! Noch einen Schuss Milch dazugeben und dann t… „Oii!“
„Vorsicht Mama, könnte heiß sein“, grinst Jussi mir entgegen, der ausnahmsweise doch mal seine Finger von den Haaren gelassen hat und nach seinem Frühstück greift.
„Danke für die Warnung“, grummle ich.
„Bitte!“
Und schon ist auch der verschwunden.
„Na komm, Lordi, dann geh ich jetzt erst mit dir raus. Lordi!“
Mist, ich hätte mir eine Jacke überziehen sollen, so früh morgens ist es doch noch recht frisch. Das scheint auch Lordi zu finden, der traut sich nämlich nicht, sich irgendwohin zu setzen, um das verdaute Hundefutter loszuwerden.
„Och Mensch, jetzt sieh mal zu, ich will wieder rein.“
Lordi sieht mich einen Augenblick an, als wolle er sagen, dass ihm genauso kalt sei. Stell dich nicht so an, du hast dickes Fell um dich herum. Aber nein. Hier nicht, schnupper da, nein lieber doch nicht, dort im Busch vielleicht? Nein, geht auch nicht… „Woooah Hund!“
Irgendwann hat er es dann aber doch mal geschafft und wir befinden uns wieder auf dem Weg nach Hause. Als ich gerade den Schlüssel in die Tür stecken will, wird mir diese allerdings entzogen und fünf männliche Wesen verlassen nacheinander das Haus.
„Tschüss Mama.“
„Bis später.“
„Bye bye.“
„Bis nachher.“
Zuletzt kommt dann noch Tuomas, der sich dann dazu herablässt, sich richtig von mir zu verabschieden.
Er legt seine Tasche auf die Treppenstufe vor unserer Haustür und zieht mich mit den Händen an den Hüften zu sich heran. Aus der Ferne höre ich Matti noch sagen, dass sie schnell verschwinden sollten, es würde schnulzig werden. Schmunzelnd schaue ich an Tuomas hoch.
„Ich werde heute Abend noch mal mit Sammy reden, okay?“
„Ist schon gut, ich wollte vorhin auch eigentlich nicht so laut werden, aber irgendwie… Na ja, du kennst mich ja.“
„Oh ja, und genau deine impulsive Art ist das, was ich an dir liebe!“
Ich muss lachen. „Ich weiß, aber du musst los. Deine Schüler lernen nicht von alleine Klavierspielen.“
Tuomas beugt sich zu meinem Ohr nach vorne und beißt sachte hinein. „Leider, aber das holen wir heute Abend nach. Das versprech ich dir.“
Ich seufze und lege die linke Hand in seinen Nacken. „Ich nehm’ dich beim Wort.“ Dann ziehe ich ihn zu mir herunter, hauche ein ‚Ich liebe dich‘ an seine Lippen und küsse ihn. Leider hupt es dann auch schon. Tuomas‘ Fahrgemeinschaft ist da.
Ich befreie Lordi gerade von seiner Leine, als man es von oben weinen hört. Warum ist der denn jetzt auch schon wach? Also doch keine Ruhe... Verdammt!
Gerade mal fünf Stufen kann ich empor steigen als mir Lordi auch schon zwischen die Beine gelaufen kommt und freudig mit der Rute wedelt. Ich gerate ins Straucheln.
„Boah sag mal! Willst du mich umbringen?“ Im letzten Moment schaffe ich es aber noch mich am Geländer festzuhalten. „Du bist doch keine Katze!“
Ein freudiges „wuff, wuff“ ist die einzige Antwort, die ich darauf erhalte.
Im Zimmer meines jüngsten Sprösslings erwartet mich das blanke Chaos. Überall hat er seine Playmobil-Teile verstreut und seine Kissen liegen auch nicht mehr im Bett. Und der blonde Junge weint.
„Och Ville-Schatzi, was hast du denn?“
Doch als ich ihn aus dem Bett heben will, wird es mir klar. Er hat ins Bett gemacht. Er ist zwar schon fünf Jahre alt, aber ab und zu schläft er so tief und fest, dass er gar nicht merkt, wann er auf Klo muss.
„Ist doch alles nicht so schlimm, Ville. Hör auf zu weinen. Wir ziehen dich jetzt aus, waschen dich und schon ist alles wieder okay.“
Also wird jetzt erst mal der Blonde, mit dem Muttermal links unterhalb der Lippe, trocken gelegt und dann zieh ich ihn auch gleich für den Kindergarten richtig an.
„Ich hab Hunger. Ich will Brot-Käse!“
„Das heißt Käsebrot, Ville. Und ja, ich mach dir gleich eins.“
„Neeeiiiin, hat Paula aber gesagt!“
Na klar, als ob die Betreuerin im Kindergarten den Kindern falsche Wörter beibringen würde. Ist richtig! „Nein, das hat Frau Vesala ganz bestimmt nicht gesagt. Hör auf, uns das immer weismachen zu wollen.“
„Hat sie doch!“
„Ville! Hör auf damit.“
Na super, mein kleiner Nachzügler fängt an zu weinen, mal wieder. Seufzend schließe ich den Knopf seiner Jeanshose und wuschle ihm noch einmal durch die Haare.
„Na komm, Kleiner, jetzt bekommst du dein Käsebrot.“
„Ich mag aber kein Brot-Käse.“
„Boah!!“ Und dabei soll man noch ruhig bleiben? Fast unmöglich! Damit ich Ville jetzt nicht irgendetwas an den Kopf werfe (also verbal natürlich!), was ich später wieder bereuen würde, stürme ich jetzt erst einmal runter in die Waschküche, um Perttus so wichtiges Trikot zu waschen.
Aber schließlich hat er sein Brot doch gegessen - auch mit Käse. Nur jetzt will er nicht in den Kindergarten. Die Freuden einer jeden Mutter, ehrlich!
„Bitte, Ville, Frau Vesala wartet doch schon auf dich.“
„Sie heißt Paula, nicht Vesala.“
Unterhaltung auf dem höchsten Niveau hier.
„Ja, sie heißt Paula Vesala und jetzt zieh deine Schuhe an.“
„Ich mag aber den Kindergarten nicht!“
„Och Ville, bitte, ich habe keine Lust mich mit dir hier jeden Morgen rumzuärgern.“
„Nur, wenn ich noch einen Keks kriege.“
Jetzt will mich mein fünfjähriger Sohn erpressen? Ja, wo gibt's denn so was? Der Kindergarten hat einen ziemlich schlechten Einfluss auf ihn. Oder sind es vielleicht doch eher seine vier Geschwister? Man weiß es nicht.
„Von mir aus...“, gebe ich mich geschlagen und hole aus dem Wohnzimmer einen Keks aus der Tupperdose.
„Lauri will auch. Lauri will auch.“
„Lauri kann sich mal“, antworte ich unserem Vogel unfreundlich, „so Ville, hier ist dein Butterkeks und jetzt Abmarsch.“
„Ja, Frau Vesala, ich denke morgen an die Regenhose. Bis heute Nachmittag, Ville.“
So. Endlich alle Kinder aus dem Haus. Jetzt muss ich aber gleich weiter einkaufen fahren, sonst schaffe ich das wieder nicht. Und ich darf Mattis Smoothie auf keinen Fall vergessen. Heute Morgen hat er den letzten mit zur Schule genommen. Also ab zum Supermarkt!
So schiebe ich also kurze Zeit später einen silbrigen Einkaufswagen vor mir her und schmeiße immer wieder die verschiedensten Waren hinein. Eier, Weichspüler, Wurst, Smoothies (davon gleich eine ganze Palette), Tapps für die Spülmaschine,... Hab ich jetzt alles? Ich glaube ja, aber bei meinem Glück habe ich sowieso wieder was vergessen, was mir aber erst zu Hause auffällt. Ist immer so. Aber wen interessiert‘s? Ich geh jetzt zur Kasse.
„Schönen guten Morgen“, werde ich gleich freundlich begrüßt, noch während ich meine Waren auf das Band lege. Als ich aufsehe, sitzt dort ein recht kleiner, zierlicher Mann mit längeren, blonden Haaren und auch wenn die Unterarme unter einem dünnen Pullover versteckt sind, weiß ich, dass sich darunter Tattoos befinden. Einige viele Tattoos. Also nicht, dass mich das jetzt stören würde. Der eine lässt sich halt Bilder in die Haut stechen und der andere färbt sich dauernd seine eigentlich blonden Haare, schwarz. Und ich kenn ja gerade so gar kein Beispiel für die zweite Variante… Hust, ähm ja…
„Oh, moi Alexi. Wie geht’s dir?“
Dieser weiße Kittel mit dem kleinen, glänzenden Namensschild des Supermarktes, der einem sagt, dass man es mit Alexi Laiho zu tun hat, sieht recht merkwürdig an einem Mann aus, der sonst nur schwarze Lederkleidung trägt. Alexi ist durch und durch Motorradfahrer und trägt lediglich hier bei der Arbeit ‚normale‘ Klamotten. Und das auch nur, weil sein Chef ihn schon zweimal abgemahnt hat.
„Super! Ich freu mich schon total auf das Wochenende. Da findet in Espoo eine Motorrad-Rallye statt und ich hab verdammt gute Chancen, zu gewinnen. Das wird der Hammer! Magst du nicht auch kommen mit deinen Kids? Dann könntet ihr mich anfeuern. Umso mehr da sind, umso besser. Ihr kriegt auch Freikarten von mir!“
Ich muss lachen. Manchmal ist der jahrelange Freund unserer Familie echt schlimmer als meine fünf Blagen zusammen.
„Immer mal mit der Ruhe, Kleiner“, den bösen Blick übersehe ich geflissentlich, „ich kann leider nicht. Perttu hat ein Fußballspiel und da muss ich als Mutter doch dabei sein. Ich kann ja mal Tuomas fragen, ja?“
Ein fragender Blick noch und dann muss ich mich weiter um das Leeren meines Einkaufswagens kümmern. Sonst kriege ich womöglich noch eine tiefgefrorene Ente in den Rücken gerammt, weil ich den ganzen Betrieb aufhalte. Keine schöne Vorstellung.
„Oh ja, das wär klasse! Dann kann ich mit ihm auch meinen Sieg feiern. Wir waren schon lange nicht mehr zusammen trinken. Manchmal bedauere ich das schon, dass ihr so viele Kinder habt. Vorher konnte man euch noch viel öfter mal spontan zu einer Party abholen. Also nicht, dass ich die kleinen Rotzlöffel nicht mag, aber…“
„Alexi?“, unterbreche ich ihn, „Halt die Klappe und scann meine Sachen ein.“
Angesprochener streckt mir nur die Zunge heraus und beginnt dann schmollend, die Waren über den Scanner zu ziehen. Grinsend räume ich die Tüten, Flaschen, Tetrapacks oder Kartons wieder in den Wagen zurück. „Tu nicht so, als wärst du jetzt beleidigt.“
„Bin ich aber, mit dir rede ich kein einziges Wort mehr. Du behandelst mich ja wie dein Kind! Dass ich so was noch erleben muss… Da tut und macht man jahrelang für die Familie und dann wird einem das Reden verboten. Das ist wirklich unfassbar! Wie schnell sich doch alles verändert…“
„Ach weißt du, manchmal muss ich tatsächlich erst überlegen, ob ich jetzt gerade Ville oder dich vor der Nase habe. Und dann denk ich mir wieder: ‚Ne, das muss Alexi sein, Ville ist dann doch vernünftiger‘.“
Diesen Satz konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Er antwortet mir mit einem Blick; theoretisch müsste ich augenblicklich tot umfallen.
„Das macht sechsundvierzig-dreißig! Und zwar dalli, ich hab noch andere Kunden.“
Grinsend halte ich ihm meine Bankkarte entgegen. „Aber gerne doch, Wildchild.“
Jetzt muss auch er wieder grinsen. Wenn auch nur ein wenig. Alexi ist stur, er will nicht zugeben, dass ihn dieser Kosename immer wieder amüsiert.
„Wuff, wuff, wuff!“, schallt es mir entgegen, als ich mit dem Auto auf unserer Auffahrt parke. Wie gut, dass wir nicht direkt in einem dicht besiedelten Wohngebiet leben, sonst hätte das wahrscheinlich schon oft Ärger gegeben. Nicht alleine wegen Lordi, auch die Kinder und Lauri machen viel Krach.
Aber wie dem auch sei, erstmal den ganzen Einkauf ins Haus schaffen und dann wegräumen. Noch eben das Radio in der geräumigen Küche angeschaltet und schon wird ausgepackt. Lordi will mir tatkräftig zur Seite stehen. Gar nicht so leicht, ihn davon abzuhalten. Manches Mal frage ich mich echt, wer den Hund so versaut hat, was die Erziehung angeht.
‚Raaaaatsch‘
„Boooah Lordi! Musste das sein? Ich muss dir unbedingt die Krallen kürzen, das ist ja unmöglich!“
Der liebevolle, verschmuste Rüde hat es doch tatsächlich hinbekommen, eine der Einkaufstaschen der Länge nach aufzureißen und jetzt kullern Dosen, Packungen und eine Tüte Chips über den Küchenfußboden. Ich sag ja, ich muss ihm dringend die Krallen schneiden. Merkwürdigerweise wachsen die bei ihm super schnell und laufen sich auch nicht von alleine ab, wenn er über Asphalt oder ähnliches geht.
‚Drrrring! Drrrring!‘
Okay, damit wäre mein Plan, sich noch fünf Minuten hinzusetzen, bevor ich mit dem Vorbereiten des Mittagessens beginnen muss, hinüber. Man sollte Herrn Bell nachträglich dafür erschießen.
„Turunen?“
Ja, ich habe noch immer meinen Geburtsnamen. Ich fand Holopainen nicht schön, Tuomas fand Turunen zu weiblich und die beiden als Doppelnamen sind eindeutig zu lang. So haben wir uns darauf geeinigt, jeweils unsere Namen zu behalten.
„Pakarinen vom Ich-Will-Quatschen-Verlag. Sehr geehrte Frau Turunen. Sie sind die glückliche Gewinnerin einer Kreuzfahrt. Könnten wir einen Termin abstimmen, um sämtliche Details persönlich zu besprechen?“
Ich muss lachen. „Du bist zu goldig, Hanna. Wie fallen dir nur immer wieder solche Geschichten ein?“
„Ich bin eben kreativ. Also was ist: Treffen? Wir zwei? Jetzt?“
Hanna Pakarinen ist meine beste Freundin, mit der ich alles, aber auch wirklich ALLES berede. Manchmal glaube ich, sie weiß mehr von mir als ich selber. Leider sind wir in letzter Zeit nicht so oft dazu gekommen und Hanna scheint das jetzt wohl nachholen zu wollen. Ich schaue auf das Radio: zehn Uhr sieben.
„Wenn du mir eine halbe Stunde gibst, kein Problem. Wo treffen wir uns denn?“
„Hmm, im Siilinkari um viertel vor elf?“
„Gebongt. Dann bis gleich.“
Wir verabschieden uns und ich verschwinde direkt runter in die Waschküche. Die Maschine ist durchgelaufen, sodass ich Perttus Trikot zusammen mit den anderen Kleidungsstücken in den Trockner werfen kann. Und gleich noch eine zweite Waschmaschine anschmeißen. Bei der Masse an dreckiger Wäsche, die dieser Haushalt produziert, muss ich am Ball bleiben.
Einige Stunden später sitzen wir schon gemütlich bei der gefühlten hundertsten Tasse Kaffee und Hanna erzählt mir gerade von ihrem neuen Freund. Oder sagen wir besser eventuell, hoffentlich bald Freund.
„Aki ist sooo toll, glaub’s mir. Seine kurzen, schwarzen Haare sind super weich und er riecht immer so berauschend. Nur seine Kontaktlinsen sollte er lieber wieder in eine Brille wechseln. Steht ihm besser.“
„Aaach, also in seinen Haaren hast du auch schon rumgewuschelt, ja?“, necke ich sie grinsend. Ich liebe es, wenn sie rot wird und genau das passiert gerade.
„Nicht so laut! Ja, hab ich. Als wir am Samstag im Kino waren, hab ich einfach den Kerl gespielt und meinen Arm um seine Schulter gelegt. Er hatte sich wohl nicht so recht getraut. Voll putzig, sag ich dir! Na jedenfalls habe ich dann auch ein wenig mit den Haaren rumgespielt.“
„Das passt zu dir. Typisch die kleine Hanna, die der gesamten Männerwelt durch ihre toughe Art die Köpfe verdreht. Und wie geht das jetzt weiter bei euch?“
„Na weiß ich nicht. Das macht mich ja so wibbelig.“
„Du bist immer wibbelig, meine Liebe“, gebe ich zu bedenken.
„Ja, nein. Ach du weißt genau, was ich meine! Am Mittwoch haben wir uns zum Essen verabredet. Vielleicht kommt er danach ja noch mit zu mir oder ich quartier mich bei ihm ein oder so.“
„Also willst du mit ihm schlafen?“
„Jop, unbedingt. Wahrscheinlich hältst du mich jetzt für verrückt, aber ich habe mich in den äußerst gutaussehenden Aki Hakala verliebt.“
Ihre Augen sagen mir, dass es die Wahrheit ist. Also nicht, dass sie mich anlügen würde. Aber Zweifel bleiben bei mir trotzdem bestehen.
„Aber du kennst ihn doch erst drei Wochen. Überstürze bitte nichts, ja?“
„Ich doch nicht! Und darf ich dich daran erinnern, dass du Tuomas damals auch gerade mal knapp drei Wochen kanntest und ihr sogar schon nach einem Jahr geheiratet habt?“
Ich verfalle leicht in Erinnerungen und lächle dabei. Oh ja, das waren verdammt schöne Zeiten vor zehn Jahren… „Aber das muss nicht unbedingt heißen, dass du auch so ein verdammtes Glück hast. Obwohl ich dir das natürlich vom ganzen Herzen gönne, das weißt du.“
„Ja, weiß ich. Ach komm her, du bist doch die Allerbeste!“
Damit zieht sie mich zu ihr und umarmt mich feste. Ich lege auch meine Arme um sie, wodurch mein Blick eher zufällig auf meine Armbanduhr fällt.
„Ach du Schreck. Hanna, tut mir ja schrecklich leid, aber ich muss los. Sammy hat wieder Mist gebaut und jetzt will der Valo mich schon wieder sprechen. Wir telefonieren, ja?“
Ich drücke Hanna noch einen Schein in die Hand für meine getrunkenen Kaffees und flitze dann schon Richtung Auto.
Den Weg in Sammys Klassenzimmer kenne ich inzwischen schon fast besser als den Waldweg von unserem Haus zum benachbarten See.
Vor der Tür sitzt Sammy: die Arme verschränkt, den Blick gesenkt.
„Schlechtes Gewissen, oder wie darf ich das deuten?“
Der blonde, junge Mann sieht auf. „Wieso sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? Ich habe ja schließlich gar nichts gemacht! Das war doch…“
„…Samu, ja, ich weiß“, unterbreche ich Sammy, „Dürfen wir schon rein oder warum sitzt du hier draußen?“
„Ne, Herr Valo redet noch mit Samus Eltern.“
Doch just in diesem Augenblick geht die Tür auf und entlässt eine dunkelhaarige Frau, gefolgt von einem blonden Mann und dessen ebenfalls blondem Sohn. Beide Elternteile sind perfekt gestylt in Hosenanzug und Rock mit Blazer. Ein bisschen zu sehr aufgemotzt, wenn ihr mich fragt. Samu beäugt Sammy im Vorbeigehen bis ins kleinste Detail, was meinen Sohn schon wieder fürchterlich annervt. Ich lege ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
„In Ordnung, Frau Häkkinen-Haber und Herr Häkkinen. Ich denke, wir haben dann alles besprochen. Und Samu? Denk an die Musikhausaufgaben.“
Der Herr der Familie setzt sich seine Sonnenbrille auf die Nase und schon verschwinden sie aus dem Schulgebäude. Herr Valo wendet sich mit einem freundlichen Lächeln an mich.
„Ah, schön Sie zu sehen, Frau Turunen“, ein Seitenblick richtet sich an Sammy, „oder vielleicht auch nicht so schön. Na, kommen Sie erst einmal herein.“
Ich setze mich auf einen der Stühle in der ersten Reihe. „Haben Sie heute einen privaten Elternsprechtag eingeführt?“, frage ich verwundert.
Der Lehrer mit dem restlos zutätowierten rechten Arm lacht. Ich muss zugeben, dass sich das ziemlich schön anhört.
„Nein, ich habe nur gerade eine Freistunde und da bieten sich solche Gespräche ja dann an. Also kommen wir mal zum Thema. Ich denke, Sammy hat Ihnen bereits erzählt, worum es ging?“
„Er hat sich mal wieder mit Samu geprügelt, oder?“
„Ja, richtig. Und so langsam häufen sich die unangenehmen Dinge. Ist er zu Hause auch auffällig?“
„Entschuldigung, aber ich sitze daneben. Sie brauchen nicht über mich zu reden, als wäre ich ein Gegenstand.“
„Das tut doch auch niemand“, versuche ich Sammy wieder zu beruhigen, bevor ich dem Dunkelhaarigen antworte, „Nein, eigentlich nicht. Ich meine, mit fünf Kindern gibt es immer mal Raufereien und gerade in dem Alter sind die Kids ja nun auch nicht immer einfach, aber davon abgesehen ist alles in Ordnung.“
„Okay. Sammy, warum kracht das denn in letzter Zeit so oft mit Samu?“
„Na, weil der ein Idiot ist. Nervt mich immer und redet Deutsch, wenn ich was nicht hören soll. Das geht mir auf den Sack!“
„Sammy, sprich ordentlich!“, ermahne ich ihn, aber Herr Valo übergeht das gekonnt. Er ist das wahrscheinlich schon gewohnt.
„Dann versuche doch einfach mal, ihm aus dem Weg zu gehen. Ich habe euch ja schon weit auseinander gesetzt, doch was ihr in den Pausen macht, kann ich natürlich nicht überwachen.“
„Aber was soll ich denn machen, wenn der ständig zu mir kommt? Ich lass mich schließlich nicht veräppeln von der halben Portion!“
„Deswegen habe ich eben ja auch schon lange mit Samu geredet. Versuch das einfach mal, okay?“
„Ja, gut…“ Sammy klingt gelangweilt.
Herr Valo spricht dann noch an, dass Sammys Leistungen in Finnisch etwas nachgelassen haben. Ich verspreche mich darum zu kümmern und schon dürfen auch wir wieder gehen.
„Und dass du mir nicht nächste Woche schon wieder mit einem Zettel nach Hause kommst, klar?“
„Ja…“, kommt es leise von meinem Sohn, als er in das Auto steigt.
Zu Hause steht die Wohnungstür sperrangelweit auf. Erschrocken darüber würge ich doch tatsächlich das Auto beim Parken ab, weil ich den Fuß von der Kupplung nehme, noch bevor ich den Zündschlüssel gedreht habe.
„Was zum Teufel ist denn hier passiert?“
Sammy sieht genauso erschrocken aus und folgt mir nur zögerlich zum Haus.
Von draußen sehe ich drei Schultaschen im Flur liegen. Die mit den ganzen Comic-Superhelden gehört Perttu, die einfarbig Schwarze mit diversen Band-Aufnähern gehört Matti, das weiß ich auch. Aber wessen Tasche ist denn bitte schön quietschpink mit Leomuster?!
„Matti? Perttu? Seid ihr da?“, rufe ich durch die offenstehende Tür.
Lordi kommt mir sofort entgegen gesprungen und heißt mich lautstark willkommen. Abwesend streiche ich ihm über den Kopf, warte aber noch immer auf Antwort.
Die kommt auch!
Und zwar in Form eines schon jetzt recht hochgewachsenen Jungen in pinker Jeans, einem rötlich-rosafarben angehauchten Netzoberteil und einer schwarzen Weste darüber. Dazu trägt er eine ebenfalls pinke Mütze auf dem Kopf, mit der er ein wenig Ähnlichkeit mit einem der Schlümpfe hat. Wer zum Teufel ist das?
„Hi, Frau Turunen! Perttu und Matti-Hasi Mikojan kommen gleich runter.“
„Jukka?“, frage ich ungläubig, aber tatsächlich ist er das, wenn ich näher hinsehe, „Ich hätte dich ja fast gar nicht erkannt.“
„Perfekt, dann klappt das ja mit meiner Typveränderung.“
Und schon flitzt er wieder nach oben. Moment mal…
„Matti-Hasi Miko-was?!“
Sammy neben mir sieht mich genauso verwirrt an, was sich bei ihm aber schnell wieder gibt. Das ist natürlich jetzt ein gefundenes Fressen für kleinere Brüder. Oh je, ich ahne Schreckliches!
Doch viel Zeit, um darüber nachzudenken, habe ich gar nicht. Ich muss jetzt sehen, dass ich in Windeseile das Abendessen vorbereite, um Ville noch vom Kindergarten abholen zu können, bevor ich Perttu zum Training fahren muss. Um Himmels Willen, was für eine Hektik!
Noch während ich den Sack Kartoffeln aus dem Unterschrank heraus befördere, trampelt jemand lautstark die Holztreppe hinunter.
„Perttu trampel nicht so! Perttu trampel nicht so!“, kreischt es aus dem Wohnzimmer und ich muss grinsen. Endlich mal sagt unser Vogel was Vernünftiges.
„Ach halt doch die Klappe, Lauri! Mama? Wo ist mein Trikot? Du wolltest es mir auf’s Bett legen, aber da ist nichts!“
„Ach Gott, ja. Entschuldige bitte. Ich hab’s vergessen. Es ist unten im Trockner, kannst du dir ja selber raus holen.“
Perttu verdreht die Augen und macht sich auf in Richtung Kellertreppe.
„Alles muss man hier selber machen! Die arbeitet doch nicht mal, wieso schafft sie es nicht, ein lächerliches Trikot auf mein Bett zu legen…“
„Noch ein Wort, mein Freund, und du kannst dir dein Spiel am Wochenende in die Haare schmieren!“
Jetzt ist nur noch ein leichtes Grummeln zu hören. Ob das jetzt an der Tatsache liegt, dass er bereits im Keller ist, oder weil er aufgehört hat zu mosern, weiß ich nicht. Ich befürchte Ersteres.
Inzwischen haben wir kurz vor vier. Die Hälfte meiner Rasselbande ist vorerst durch Brot mit Aufschnitt gesättigt, Ville ist gerade eben auf dem Sofa eingeschlafen und ich muss mich sputen, sonst schaffe ich es tatsächlich noch, Perttu zu spät zu seinem Training zu fahren. Nicht auszudenken, was das für einen Ärger geben würde.
„Mama, jetzt komm schon!“
„Ja doch, sofort“, ich drehe mich wieder zu Matti und Jukka um, „Matti, du bist bitte so nett, ein Auge auf Ville zu haben. Du weißt, wie unausstehlich er wird, wenn man ihn weckt. Ich bin ja nicht lange weg, okay?“
„Wenn’s denn sein muss. Eigentlich wollten Sör und ich an unserem Song rumfeilen.“
„Ihr könnt Gitarre spielen, wenn wir wiederkommen. Oder ihr spielt leise hier unten. Das müsst ihr wissen. Wir fahren dann jetzt erst mal.“
Am Sportplatzrand tummeln sich einige Eltern und bei dem schönen Wetter macht das zur Abwechslung auch mal Spaß. Letzte Woche hatte es geregnet, das war eher weniger schön. Also geselle ich mich fröhlich zu den meist männlichen Elternteilen. Es ist wirklich unglaublich, wie stolz Väter auf ihre Söhne sein können. Glaubt’s mir!
„Hey Tarja! Na wie isset?“
„Hallo Mikko! Alles klar, wie immer. Und bei dir so?“
Der wibbelige, junge Mann mit etwas längeren, blonden Haaren stellt sich neben mich an den Zaun und trommelt etwas mit den Fingern auf der Eisenstange herum.
„Bestens, bestens. Nur Eicca ist zurzeit schrecklich. Ich wusste gar nicht, dass ein einziger Teenager so verdammt viel nerven kann.“
Ich muss lachen. „Kenn ich. Einer von meinen hat immer gerade diese Phase.“
„Dass du das auch mit so vielen Kerlen aushältst… unglaublich! Was ist dein Geheimrezept? Sag’s mit, bitte!“
„Starke Nerven, einen tollen Ehemann und Ohrstöpsel.“
Jetzt lacht auch Mikko und wir verfolgen das Training. Gerade zur rechten Zeit, denn genau in dem Moment grätscht Perttu einem weiteren Jungen zwischen die Beine, sodass dieser mit einem Aufschrei zu Boden geht. Paavo, der Trainer, greift sofort ein und verwarnt Perttu, kümmert sich dann aber um den Jungen. Er hält sich sein Bein und den Rufen nach zu urteilen tut es ihm ziemlich weh. Ein Mann in einem lässig aufgeknöpften, weißen Hemd, schwarzer Weste und dazu passender Hose stürmt auf das Spielfeld. Seine schwarzen Locken wippen bei jedem Schritt. Den kenn ich noch gar nicht.
„Sag mal, wer ist das?“, frage ich Mikko verwirrt.
„Der Kerl, der in den Dauerwellen-Pott gefallen ist?“, ich nicke, „Vivian Sin’Amor. Hast du den etwa noch nie hier stehen sehen?“
„Ehrlich gesagt, nein.“
„Der ist doch mit Katra verheiratet, diese Rothaarige.“
„Achsooo, sag das doch gleich! Deswegen rennt er wie von der Tarantel gestochen auf’s Feld.“
„Korrekt. Sein armes, kleines Theon-Baby ist schließlich verletzt.“
Wir müssen beide lachen. Nicht das wir uns generell über alles und jeden hier lustig machen würden, aber Vivian, Katra und Theon sind dafür einfach wie geschaffen. Die beiden verhätscheln und vertätscheln ihren Sohn fürchterlich, wodurch der schon hochnäsig wie sonst was geworden ist. Tut mir richtig leid für Theon, er war mal ein ganz lieber Junge.
Im Auto sitzt Perttu deprimiert auf dem Beifahrersitz und guckt nach draußen.
„Was ist los? Seit wann entwickelst du solche Schuldgefühle und dann auch noch gerade für Theon?“
„Was?! Ach Quatsch, ich find es beschissen, dass Eicca am Samstag nicht mit dabei ist. Nur, weil er heute nicht so einen perfekten Tag hatte… Das ist doch unfair!“
„Perttu, lass dir eins gesagt sein: Das ganze Leben ist unfair, das wirst du auch noch merken.“
Ein kurzes Grummeln von der rechten Seite und es ist wieder still im Auto.
Gerade, als Perttu die Haustür schließen will, höre ich ein Hupen. Warum muss sich Jack eigentlich immer so bemerkbar machen, wenn er meinen Mann nach Hause bringt? Jeden Morgen und jeden Abend hupt er. Ich dachte mal, ich gewöhne mich daran, aber irgendwie tu ich das nicht.
„Lass auf, dein Vater kommt gerade.“
Perttu schaut nach draußen, winkt kurz und geht schmollend hoch in sein Zimmer.
Tuomas steigt aus dem vollen Auto und verabschiedet sich von Jonne Aaron, Jack Smack und Jussi Selo, seine Arbeitskollegen an der Musikhochschule. Dann düsen die Drei wieder von unserem Hof.
Tuomas stellt seine Tasche wieder einmal auf die erste Stufe vor unserer Haustür und umarmt mich lächelnd.
„Na, wie war dein Tag, Kulta?“
Ich seufze. „Wie immer: stressig. Manchmal möchte ich gerne mit dir tauschen. Ich glaube, deine Lesungen sind mehr entspannend, als nicht zu arbeiten.“
Ein wunderschönes Lachen antwortet mir. „Nicht, wenn du Studenten wie Juha Kylmänen hast, glaub mir. Der kann einem mehr als nur Löcher in den Bauch fragen.“
Ich piekse ihm grinsend in den Bauch, was Tuomas zurückweichen lässt.
„Hör auf, das kitzelt.“
Gekonnt nicht auf den letzten Satz eingehend, mache ich weiter. „Aber immerhin hat mir dieser Juha noch Bauch übrig gelassen.“
Tuomas versucht lachend meine Hände festzuhalten, was er dann aber aufgibt. Dafür nimmt er seine Tasche und presst sie sich vor mein Zielobjekt. Schade…
„Und wie war dein Tag so?“
„Teils so, teils so. Juha hat – wie gesagt – genervt, Petri Lindroos wusste mal wieder alles besser und Anette Olzon hat mir ihrer Plastikflasche die gesamte Vorlesung gestört. Also wie immer.“
„Och du Armer! Na komm mal schnell mit rein, Essen ist gleich fertig.“
„Hmm, was hast du denn Schönes gezaubert?“
„Lass dich überraschen, Liebling.“
Ich greife nach Tuomas‘ Hemdkragen und ziehe ihn so weit zu mir herunter, dass ich ihn küssen kann. Warum ist der Kerl auch so groß? Oder ich so klein?
„Mama, darf Sör bis zum Essen bleiben?“
Mattis kugelrunden Augen sehen mich flehend an. Ich bin allerdings über diese Frage verwirrt.
„Ich dachte sowieso, dass er solange bleibt. Immerhin ist das Essen gleich fertig.“
„Supiii!“
Kopfschüttelnd pieke ich eine Kartoffel an, um zu sehen, ob sie gar ist. Und das ist sie. Dabei fällt mir gerade ein, dass ich Jussi nach der Schule noch gar nicht hier gesehen habe. Wo ist der denn jetzt?
Doch auch die anderen Personen, die sich zurzeit in diesem Haus aufhalten, wissen das nicht. Hmm… Aus meiner Tasche im Flur fische ich mein Handy und will gerade bei Jussi anrufen, da sehe ich, dass dieser mich bereits dreimal versucht hatte, zu erreichen. Hä? Ich rufe zurück.
„Oh, hi Mama. Hattest du dein Handy mal wieder auf Lautlos?“
„Ähm… ja.“, gebe ich zu, „Aber wo bist du, ist die viel wichtigere Frage!“
„Deswegen wollt ich dich ja anrufen. Ich bleib bei Jyrki, weil wir eh ein Referat machen mussten und gerade eben erst fertig geworden sind.“
„Ach so. Aber morgen bist du wieder hier, ja?“
„Klar! Aber du, hier gibt’s jetzt Essen. Bis morgen.“
„Bis morgen!“
Seufzend schütte ich die Kartoffeln ab und richte sie zusammen mit der Soße, den Schnitzeln und dem Gemüse auf unserem großen Esszimmertisch an.
„Essen ist fertig!“, rufe ich einmal durch das ganze Haus.
„Lauri will auch! Lauri will auch!“
„Geh mir nicht auf den Senkel, Federvieh!“
„Beleidige meinen Vogel nicht! Der hat auch Gefühle“, meckert Matti soeben, als er die Küche beziehungsweise das Esszimmer betritt.
„Dein Vogel hat auch Hunger! Und wann hast du seinen Käfig zuletzt sauber gemacht? Matti, das geht so nicht. Los, Futter gibst du ihm jetzt noch und nach dem Essen machst du sofort seinen Käfig, klar?“
„Aber Sör ist d…“
„Nichts, ‚Sör ist aber da‘. Du wirst das machen und zwar so, wie ich das sage.“
Nörgelnd trollt er sich, während sich Ville, Perttu, Jukka, Sammy und Tuomas an den Tisch setzen.
„Es riecht mal wieder vorzüglich, Schatz“, schwärmt mein Liebster und gibt mir noch einen Kuss, bevor er sich von allem etwas auf den Teller tut.
„Matti lieb! Matti lieb!“, kreischt es aus dem Wohnzimmer und dann setzt sich auch Matti mit an den Tisch.
„Vielen Dank. Lasst es euch schmecken.“
„Ach, ich soll dich übrigens fragen, ob du nicht am Wochenende zu einer Motorradrallye kommen magst und danach Alexis grandiosen Sieg feiern willst“, frage ich Tuomas, bevor ich das noch vergesse.
„Alexi? Aber ist nicht auch dieses Fußballspiel in Espoo, Perttu?“
Wie bitte? Wieso, bitte schön, weiß mein verehrter Gatte so was, obwohl er den ganzen Tag arbeitet und ich nicht?! Vielleicht hatte Perttu ja doch Recht, mit dem ‚Mama, du wirst alt‘. Absolut keine schöne Vorstellung!
Niedergeschlagen löffelt Perttu sich etwas Gemüse auf den Teller. „Ja schon, aber ich weiß noch nicht, ob ich da hingehe…“
„Nicht? Aber du wolltest doch unbedingt dahin. Hast du heute Morgen jedenfalls noch groß und breit erzählt.“
Und warum weiß Tuomas auch das? Der war doch schon längst aus der Küche verschwunden, als Perttu mit dem Spiel anfing. Ich verstehe so langsam die Welt nicht mehr.
„Weil Eicca nicht mit darf. Als ob Eicca nicht auch mal einen schlechten Tag haben darf. Vor allem ist das doch auch viel besser, wenn’s heute schlecht läuft. Wenn die Generalprobe scheiße ist, klappt dafür die Premiere wie am Schnürchen, aber neeeeiiiiiiiin!“, regt sich Perttu auf, worauf sich Matti gleich einmischt.
„Nun komm aber mal wieder runter. Du kannst doch auch einmal ohne deinen Schatzie auf dem Feld stehen.“
Matti will seinen Bruder mal wieder mit der Tatsache aufziehen, dass er sehr viel mit Eicca unternimmt. Nur kriegt er das gleich zurück, allerdings von Sammy, der schneller antwortet, als Perttu Luft holen kann:
„Du sei mal schön still, Matti-Hasi!“
Matti schnappt nach Luft doch dieses Mal empört sich Jukka: „Hey! Nur ich darf ihn so nennen, klar?“
„Schluss!“, erhebt Tuomas seine Stimme und sieht jeden seiner Söhne und Jukka nach der Reihe an, „Es wird gegessen und nicht gestritten. Also Ruhe.“
Tatsächlich verläuft das restliche Vertilgen der Mahlzeit still. Wenn man mal davon absieht, dass Ville zweimal seine Gabel fallen lässt und gefühlte hundertmal behauptet, er würde keine Schnitzel mögen. Am Ende putzt er seinen Teller aber restlos leer. Kinder!
Sammy und Perttu haben heute Tischdienst. Gefällt ihnen zwar absolut nicht, aber was ist so schlimm daran, die dreckigen Teller und das Besteck in die Spülmaschine zu stecken und die Essensreste hundesicher zu verstauen? Eben, gar nichts!
„Ach, und gebt ihr Lordi dann noch sein Futter?“
„Warum das denn auch noch?“
„Weil deine Mutter das gesagt hat, Sammy. Basta!“
Mir einem dankbaren Blick an meinen Mann, wende ich mich an Matti: „ Und du k…“
„…kümmere mich um Lauris Käfig, ja doch!“
„Sehr schön, seid ihr ja doch gut erzogen.“
Die Kinder verdrehen die Augen und Ville springt freudestrahlend von seinem Stuhl. Seine flinken Beinchen bringen ihn mir nichts, dir nichts ins Wohnzimmer, wo er gleich den Fernseher einschaltet.
Seufzend stehe ich auf, doch Tuomas hindert mich daran, dem Kleinen hinterher zu flitzen.
„Lass mal, ich mach das schon.“
Hmm, Tuomas lässt mal wieder den Vater raushängen… gefällt mir!
So kann ich nämlich dann die Wäsche aufhängen, die seit heute Mittag im Trockner liegt… fällt mir leider gerade in diesem Moment ein. Was für ein Mist! Also ab in die Waschküche.
Und was passiert? Natürlich, noch aus dem Keller heraus höre ich den Kleinsten unserer Rasselbande weinen. Da versucht sein Papa ihm wohl gerade den Schlafanzug anzuziehen. Ich grinse den Wäschekorb vor mir an und male mir die Szene bildhaft aus. Und so wie sich das anhört, liegen sich Sammy und Perttu auch schon wieder mal in den Haaren. Hach, was für ein Leben!
Ganze zwei Stunden später ist Ville im Bett, Jukka ist von seinem Vater Tommi abgeholt worden und Sammy, Perttu und Matti sind jeweils in ihren Zimmern. Endlich kehrt Frieden hier ein. Die Arme nach oben drückend, strecke ich mich ausgiebig und wollte eigentlich ins Wohnzimmer gehen, doch zwei Arme, die sich um meinen Bauch schlingen, halten mich davon ab. Grinsend lege ich meine Hände auf die von Tuomas und drehe meinen Kopf, so weit es geht, zur Seite. Diese herrlich blauen Augen blicken mich verführerisch an. Ich drohe in ihnen zu versinken.
„Weißt du noch, was ich dir heute Morgen versprochen habe?“
Jetzt drehe ich mich doch in Tuomas‘ Armen um und verschränke die meinen in seinem Nacken.
„Natürlich. Aber dass du das auch noch weißt…“
„Hey, nicht frech werden hier, Madame!“
„Tut mir Leid, Liebling. Und was machen wir mit den Kindern?“
„Die sind sowieso gerade damit beschäftigt, das Internet unsicher zu machen, weißt du doch.“
„Stimmt. Na dann…“
Ich komme Tuomas nur zu gern entgegen, bis sich unsere Lippen berühren. Er zögert auch keine Sekunde, sondern lässt seine Zunge direkt hervorschnellen. Hmm… Forsch, der Junge heute! Seine Hände wandern von meinem Rücken hinunter auf meine Hüften, aber bevor er sich noch weiter vorwagt, löse ich mich leicht von ihm.
„Hey, nicht schmollen, Liebling“, grinse ich, hauche Tuomas noch einen Kuss auf die Lippen und ziehe ihn dann hinter mir her die Treppen nach oben. Und endlich beginnt der äußerst angenehme Teil des Tages. Mit einem verheißungsvollen Grinsen schließe ich die Tür. Auf dass ich die nächsten Stunden dieses Zimmer nicht mehr verlassen werde...
The End
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Ich möchte noch anmerken, dass der Text zu Anfang aus dem Lied 'Highway to Hell' von ACDC. Nicht, dass mir noch unterstellt wird, ich würde hier fremdes Eigentum als Meines auszugeben
Und ansonsten hoffe ich, dass es Spaß gemacht hat, das durchzulesen
Autor: Minä, also Deische Järvisto
Personen: zu viele um sie alle Aufzählen zu können, aber eben auch Eicca, Perttu, Mikko und Paavo
Bands: ebenfalls zu viele Von SA, über NGT, 69Eyes bis hin zu Children of Bodom alles irgendwie vertreten^^ und Apo natürlich nicht zu vergessen^^
Disclaimer: Mir gehört das kranke Gehirn, dass nötig war um so etwas zu produzieren
Claimer: Die Idee entstammt meiner eigenen Fantasie, ergo liegt das Copyright ausschließlich bei mir und jedes Übernehmen gleicht einem Diebstahl. Die Personen gehören selbstverständlich sich selbst und dieser OneShot ist niemals so geschehen.
FSK: 16
PoV: Tarja Turunen
Genre: Komödie, ganz klar Comedy
Warnings: Lachanfallgefahr ^.^
Inhalt: Eine Mutter hat’s nicht leicht. Und eine Mutter von fünf teils aufmüpfigen und pubertierenden Jungs hat es erst recht nicht leicht. Dazu noch einen kreischender Vogel, einen bellender Hund, einen Musikmachenden Ehemann und das Chaos ist perfekt. Aber trotz allem liebt Tarja Turunen ihr Leben. Hier ist ein Ausschnitt davon.
AN: Ich danke vielmals der äußerst lieben Svenja, dass sie sich trotz Umzug und Studiumsabschlusses zum betalesen bereit erklärt hat. Hab dich lieb *.*
Und das war’s jetzt von mir. Also nein, der ziemlich lange OS kommt ja noch, aber mit meinem Vorgequatsche ist jetzt Schluss. Viel Spaß! *Kekse hinstell*
Ein Tag im Leben von Tarja Turunen
“Living easy, loving free
Season ticket on a one-way ride
Asking nothing, leave me be
Taking everything in my stride
Don't need reason, don't need rhyme
Ain't nothing I would rather do
Going down, party time
My friends are gonna be there too
I'm on the highway to hell
on the highway to hell
highway to hell
I'm on the highway to hell…”
Mein Wecker kriegt ganz gehörig einen über den Schädel gebraten, wenn er nicht gleich mal still ist. Da kommt man gerade zur Ruhe, hat halbwegs Ordnung im Haus gemacht und will dem Körper mal die benötigte Menge Schlaf gönnen und dann kommt das dumme Ding und läutet schon einen weiteren Tag ein. Was für eine Ungerechtigkeit! Wer kam eigentlich auf die selten dämliche Idee, so etwas wie einen Wecker zu erfinden? Den sollte man standrechtlich erschießen!
Aber nun gut, ich muss ja aufstehen, meine Kids müssen schließlich in die Schule. Und diesen Umstand finde ich auch äußerst praktisch, dann habe ich nämlich Ruhe. Also so wirkliche Ruhe zu Hause.
Gleich wieder etwas besser gelaunt stehe ich also auf. Um kurz vor halb sechs schon in der Küche stehen und Brote schmieren… Was für ein Leben habe ich mir da eigentlich ausgesucht? Und währenddessen winselt unser Hund fleißig um meine Beine herum, weil er hofft, ich könne eine Scheibe Wurst fallen lassen. Pech gehabt, Kleiner, dafür pass ich schon auf!
„Lordi: hör auf jetzt! Platz!“
Der recht kleine Mischling mit schwarzem, zerzaustem Fell lässt die spitzen Ohren fallen, zieht den Schwanz ein und verkriecht sich unter dem Küchentisch. Na endlich. Wer hat dem eigentlich das Betteln beigebracht? Kann doch nur eins der Kinder gewesen sein. Oder gleich alle auf einmal. Wer weiß das schon.
„Lordi Platz. Lordi Platz“, kreischt es aus dem Wohnzimmer. Wer hat denn Lauri gestern Abend schon wieder nicht das Tuch über den Käfig gelegt? Ich werde noch wahnsinnig hier. Unsere Krähe, Wellensittich, Papagei oder was das Vieh auch immer darstellen soll, quatscht einem nämlich den gesamten Tag die Ohren voll. Aber Matti wollte ja unbedingt so’n Vogelvieh haben. Da ich von solchen Tieren aber keinen blassen Schimmer habe, weiß ich auch nicht, was das genau ist. Solange Matti das weiß.
Nach und nach werden die Quälgeister auch mal wach. Aus sämtlichen Zimmern ertönen die verschiedensten Wecker und ein verschlafenes Gesicht nach dem anderen tapert in die Küche.
„Morgen Mama. Sag mal, hatte ich schon erwähnt, dass ich heute eine Stunde später erst Schulschluss habe?“
Der blonde und mit Abstand frechste Junge in diesem Haushalt sieht mich mit einem Blick an, bei dem ich schon genau weiß, was das bedeutet. Ich verdrehe die Augen.
„Was hast du nun schon wieder angestellt, Sammy?“
„Gar nichts, ehrlich! Ich habe dir doch schon mal von diesem Samu erzählt, oder? Der hat allen Ernstes behauptet, dass ich meine Haare nur blondieren würde, weil alle Anderen aus unserer Familie dunkle Haare haben. Das konnte ich doch wohl nicht auf mir sitzen lassen! Das war sozusagen Notwehr. Und du hast immer gesagt, dass wir uns wehren dürfen.“
Und da soll noch mal einer fragen, warum ich so langsam aber sicher verrückt werde. Hallo?! Mein Sohn geht auf andere los, weil der sagt seine Haarfarbe sei nicht echt! Ist Sammy denn noch ganz echt?! Jetzt mal abgesehen davon, dass er nicht der einzige Blonde bei uns ist, aber dieser Samu kennt Ville offensichtlich nicht. Woher auch, der geht ja noch in den Kindergarten.
„Das ist jetzt hoffentlich nur ein Scherz gewesen, oder?“
„Wieso? Dieser Samu Haber ist total durch geknallt. Der provoziert mich immer, da kann ich nichts für! Und dann redet er ständig auf Deutsch, wenn ich irgendetwas nicht mitkriegen soll. Das ist doch voll unfair! Kannst d…“
„Stopp! Sei einfach ruhig, gib mir den Zettel zum Unterschreiben und zieh dich an. Will dein Lehrer mich wieder sehen? Und sag die Wahrheit!“
Sammy rückt den Zettel heraus und verschwindet hoch in sein Zimmer.
Auf der ‚Elternmitteilung‘ steht in krakeliger, roter Schrift, dass mich Herr Valo erneut zu einem Gespräch bittet. Und zwar heute um vierzehn Uhr. Na gut, gleich mal in den Kalender eintragen. Bei den ganzen Terminen hier, vergesse ich sonst nämlich die Hälfte. Mal sehen… wann war das? Heute um v… HEUTE?! Ich sehe mir den Elternbrief genauer an und muss feststellen, dass Herra Valo den schon vor einer Woche geschrieben hat. Oh Sammy, warte, das wird noch ein Nachspiel haben!
„Sammy! Sofort antanzen!“, rufe ich durch’s Haus, es müssen eh alle aufstehen, also was soll’s?
„Was schreist du denn so? Guten Morgen erstmal, mein Schatz.“
Tuomas kommt in Shorts bekleidet in die Küche gewatschelt und streicht sich die total durcheinander hängenden Haare aus dem Gesicht, bevor er mir einen Kuss gibt.
„Dein Sohn hat sich schon wieder geprügelt und sein Lehrer bittet mich schon wieder in die Schule!“
„Welcher Sohn? Ich hab so viele“, gähnt er herzhaft und fischt sich eine Tasse aus dem Schrank, um diese mit Kaffee zu füllen.
„Na wer wohl?“
In diesem Moment lugt Sammy um den Türrahmen. „Du hattest nach mir gerufen?“
„Ach der Sohn!“
„Ja, genau der“, ich wende mich von meinem Mann ab und gehe bedrohlich auf Sammy zu, „so, mein Freundchen, und nun zu dir: Warum bekomme ich diesen Brief erst heute? Du hast ihn seit einer Woche. Sieben voll Tage!“
„Ich hatte ihn vergessen, der war zwischen meine Hausaufgaben gerutscht und…“
„Hausaufgaben, die du mal wieder nicht gemacht hast, richtig? Das ist doch immer dasselbe mit dir. Ordnung, Sammy, Ordnung ist so wichtig, wann begreifst du das endlich?“
„Schönen guten Morgen!“, kommt es einstimmig von Perttu, Jussi und Matti, die alle drei fröhlich gelaunt in die Küche stürmen. Matti schnappt sich sogleich einen Smoothie aus dem Kühlschrank – Memo an mich selbst: Ich muss dringend neue kaufen, sonst wird der unmöglich! – Perttu nimmt sich seine Brotdose und setzt sich auf den Tisch. Er muss erst wieder ganz genau untersuchen, was ich ihm zum Frühstücken eingepackt habe. Tja und Jussi formt eigentlich die ganze Zeit weiter an seinen Haaren, die er mal wieder zu spitzen Stacheln gegelt hat.
„Perttu, runter vom Tisch, wie oft soll ich dir das noch sagen?“ Von wem hat er das eigentlich? Niemand von uns macht das. Komisch…
„Darf ich jetzt den Zettel wiederhaben?“, fragt Sammy mit einer Stimmlage, von der ich für ihn hoffe, dass es nicht genervt ist!
„Ja, hier und dann zieh dich endlich an, ihr müsst los. Matti, in den gelben Sack, wie oft noch? Und Jussi, wasch dir gefälligst das ekelige Zeug von den Händen, bevor du in die Küche kommst. Du saust mit deinem Gel immer alles ein.“
„Das wird mir hier zu voll, ich geh duschen“, murmelt mein ach so geliebter Mann und lässt mich mit der Rasselbande hier alleine. Na danke auch, du hattest auch deinen Spaß daran, diese frechen, vorlauten und mit allen Wassern gewaschenen Kinder in die Welt zu setzen. Zumindest bei der Entstehung, beim In-Die-Welt-Setzen hatte wohl niemand wirklich Spaß dran. Irgendwie tut’s mir ja schon leid, wie ich Tuomas damals im Kreißsaal angemeckert und ausgeschimpft hatte.
„Mama, hast du mein Fußballtrikot schon gewaschen? Heute ist doch wieder Training.“
„Aber natürlich, Perttu! Leg ich dir nachher auf dein Bett.“ Verdammt, ich muss die Maschine endlich anstellen und danach sofort den Trockner!
„Super. Eicca hat mir gestern Abend nämlich noch geschrieben, dass wir heute das Auswahlverfahren machen, wer wie aufgestellt sein wird bei dem Spiel am Wochenende, und ich will unbedingt als Stürmer mit dabei sein! Aber das darf ich sicher nicht mit einem dreckigen Trikot.“
Ähm, Spiel am Wochenende? „Kein Problem. Wo war das Spiel noch mal?“
„In Espoo, hab ich dir doch schon gesagt. Mama, du wirst alt.“
Damit entschwindet mein Sprössling aus der Küche.
Seufzend stelle ich Brettchen und Messer in die Spülmaschine und lege den Aufschnitt wieder zurück in den Kühlschrank.
„Darf Sör heute nach der Schule mit hierhin kommen?“
Während Jussi noch immer mit seinen Stacheln beschäftigt ist, sieht mich Matti fragend an.
„Wer ist denn jetzt schon wieder ‚Sör‘?“
„Na Jukka. Ich nenne ihn nur noch Sör. Ist eine ziemlich lange Geschichte. Also darf er?“
„Wenn ihr friedlich seid, während ich euren Bruder zum Fußballtraining fahre, ja.“
„Natürlich sind wir das. Du kennst uns doch.“
„Ja, eben deshalb ja! Das letzte Mal, als ihr hier alleine ward, habt ihr mit Papas Axt rumgespielt.“ (Matti/Matthau mit Axt)
Doch als ich die Geschirrspülmaschine schließe und mich anschließend umdrehe, muss ich feststellen, dass sich Matti schon längst verabschiedet hat. Na toll, nette Söhne habe ich mir da zurecht erzogen.
Jetzt brauche ich erst einmal Kaffee! Mhm, alleine schon dieser Geruch beim Eingießen… Köstlich! Noch einen Schuss Milch dazugeben und dann t… „Oii!“
„Vorsicht Mama, könnte heiß sein“, grinst Jussi mir entgegen, der ausnahmsweise doch mal seine Finger von den Haaren gelassen hat und nach seinem Frühstück greift.
„Danke für die Warnung“, grummle ich.
„Bitte!“
Und schon ist auch der verschwunden.
„Na komm, Lordi, dann geh ich jetzt erst mit dir raus. Lordi!“
Mist, ich hätte mir eine Jacke überziehen sollen, so früh morgens ist es doch noch recht frisch. Das scheint auch Lordi zu finden, der traut sich nämlich nicht, sich irgendwohin zu setzen, um das verdaute Hundefutter loszuwerden.
„Och Mensch, jetzt sieh mal zu, ich will wieder rein.“
Lordi sieht mich einen Augenblick an, als wolle er sagen, dass ihm genauso kalt sei. Stell dich nicht so an, du hast dickes Fell um dich herum. Aber nein. Hier nicht, schnupper da, nein lieber doch nicht, dort im Busch vielleicht? Nein, geht auch nicht… „Woooah Hund!“
Irgendwann hat er es dann aber doch mal geschafft und wir befinden uns wieder auf dem Weg nach Hause. Als ich gerade den Schlüssel in die Tür stecken will, wird mir diese allerdings entzogen und fünf männliche Wesen verlassen nacheinander das Haus.
„Tschüss Mama.“
„Bis später.“
„Bye bye.“
„Bis nachher.“
Zuletzt kommt dann noch Tuomas, der sich dann dazu herablässt, sich richtig von mir zu verabschieden.
Er legt seine Tasche auf die Treppenstufe vor unserer Haustür und zieht mich mit den Händen an den Hüften zu sich heran. Aus der Ferne höre ich Matti noch sagen, dass sie schnell verschwinden sollten, es würde schnulzig werden. Schmunzelnd schaue ich an Tuomas hoch.
„Ich werde heute Abend noch mal mit Sammy reden, okay?“
„Ist schon gut, ich wollte vorhin auch eigentlich nicht so laut werden, aber irgendwie… Na ja, du kennst mich ja.“
„Oh ja, und genau deine impulsive Art ist das, was ich an dir liebe!“
Ich muss lachen. „Ich weiß, aber du musst los. Deine Schüler lernen nicht von alleine Klavierspielen.“
Tuomas beugt sich zu meinem Ohr nach vorne und beißt sachte hinein. „Leider, aber das holen wir heute Abend nach. Das versprech ich dir.“
Ich seufze und lege die linke Hand in seinen Nacken. „Ich nehm’ dich beim Wort.“ Dann ziehe ich ihn zu mir herunter, hauche ein ‚Ich liebe dich‘ an seine Lippen und küsse ihn. Leider hupt es dann auch schon. Tuomas‘ Fahrgemeinschaft ist da.
Ich befreie Lordi gerade von seiner Leine, als man es von oben weinen hört. Warum ist der denn jetzt auch schon wach? Also doch keine Ruhe... Verdammt!
Gerade mal fünf Stufen kann ich empor steigen als mir Lordi auch schon zwischen die Beine gelaufen kommt und freudig mit der Rute wedelt. Ich gerate ins Straucheln.
„Boah sag mal! Willst du mich umbringen?“ Im letzten Moment schaffe ich es aber noch mich am Geländer festzuhalten. „Du bist doch keine Katze!“
Ein freudiges „wuff, wuff“ ist die einzige Antwort, die ich darauf erhalte.
Im Zimmer meines jüngsten Sprösslings erwartet mich das blanke Chaos. Überall hat er seine Playmobil-Teile verstreut und seine Kissen liegen auch nicht mehr im Bett. Und der blonde Junge weint.
„Och Ville-Schatzi, was hast du denn?“
Doch als ich ihn aus dem Bett heben will, wird es mir klar. Er hat ins Bett gemacht. Er ist zwar schon fünf Jahre alt, aber ab und zu schläft er so tief und fest, dass er gar nicht merkt, wann er auf Klo muss.
„Ist doch alles nicht so schlimm, Ville. Hör auf zu weinen. Wir ziehen dich jetzt aus, waschen dich und schon ist alles wieder okay.“
Also wird jetzt erst mal der Blonde, mit dem Muttermal links unterhalb der Lippe, trocken gelegt und dann zieh ich ihn auch gleich für den Kindergarten richtig an.
„Ich hab Hunger. Ich will Brot-Käse!“
„Das heißt Käsebrot, Ville. Und ja, ich mach dir gleich eins.“
„Neeeiiiin, hat Paula aber gesagt!“
Na klar, als ob die Betreuerin im Kindergarten den Kindern falsche Wörter beibringen würde. Ist richtig! „Nein, das hat Frau Vesala ganz bestimmt nicht gesagt. Hör auf, uns das immer weismachen zu wollen.“
„Hat sie doch!“
„Ville! Hör auf damit.“
Na super, mein kleiner Nachzügler fängt an zu weinen, mal wieder. Seufzend schließe ich den Knopf seiner Jeanshose und wuschle ihm noch einmal durch die Haare.
„Na komm, Kleiner, jetzt bekommst du dein Käsebrot.“
„Ich mag aber kein Brot-Käse.“
„Boah!!“ Und dabei soll man noch ruhig bleiben? Fast unmöglich! Damit ich Ville jetzt nicht irgendetwas an den Kopf werfe (also verbal natürlich!), was ich später wieder bereuen würde, stürme ich jetzt erst einmal runter in die Waschküche, um Perttus so wichtiges Trikot zu waschen.
Aber schließlich hat er sein Brot doch gegessen - auch mit Käse. Nur jetzt will er nicht in den Kindergarten. Die Freuden einer jeden Mutter, ehrlich!
„Bitte, Ville, Frau Vesala wartet doch schon auf dich.“
„Sie heißt Paula, nicht Vesala.“
Unterhaltung auf dem höchsten Niveau hier.
„Ja, sie heißt Paula Vesala und jetzt zieh deine Schuhe an.“
„Ich mag aber den Kindergarten nicht!“
„Och Ville, bitte, ich habe keine Lust mich mit dir hier jeden Morgen rumzuärgern.“
„Nur, wenn ich noch einen Keks kriege.“
Jetzt will mich mein fünfjähriger Sohn erpressen? Ja, wo gibt's denn so was? Der Kindergarten hat einen ziemlich schlechten Einfluss auf ihn. Oder sind es vielleicht doch eher seine vier Geschwister? Man weiß es nicht.
„Von mir aus...“, gebe ich mich geschlagen und hole aus dem Wohnzimmer einen Keks aus der Tupperdose.
„Lauri will auch. Lauri will auch.“
„Lauri kann sich mal“, antworte ich unserem Vogel unfreundlich, „so Ville, hier ist dein Butterkeks und jetzt Abmarsch.“
„Ja, Frau Vesala, ich denke morgen an die Regenhose. Bis heute Nachmittag, Ville.“
So. Endlich alle Kinder aus dem Haus. Jetzt muss ich aber gleich weiter einkaufen fahren, sonst schaffe ich das wieder nicht. Und ich darf Mattis Smoothie auf keinen Fall vergessen. Heute Morgen hat er den letzten mit zur Schule genommen. Also ab zum Supermarkt!
So schiebe ich also kurze Zeit später einen silbrigen Einkaufswagen vor mir her und schmeiße immer wieder die verschiedensten Waren hinein. Eier, Weichspüler, Wurst, Smoothies (davon gleich eine ganze Palette), Tapps für die Spülmaschine,... Hab ich jetzt alles? Ich glaube ja, aber bei meinem Glück habe ich sowieso wieder was vergessen, was mir aber erst zu Hause auffällt. Ist immer so. Aber wen interessiert‘s? Ich geh jetzt zur Kasse.
„Schönen guten Morgen“, werde ich gleich freundlich begrüßt, noch während ich meine Waren auf das Band lege. Als ich aufsehe, sitzt dort ein recht kleiner, zierlicher Mann mit längeren, blonden Haaren und auch wenn die Unterarme unter einem dünnen Pullover versteckt sind, weiß ich, dass sich darunter Tattoos befinden. Einige viele Tattoos. Also nicht, dass mich das jetzt stören würde. Der eine lässt sich halt Bilder in die Haut stechen und der andere färbt sich dauernd seine eigentlich blonden Haare, schwarz. Und ich kenn ja gerade so gar kein Beispiel für die zweite Variante… Hust, ähm ja…
„Oh, moi Alexi. Wie geht’s dir?“
Dieser weiße Kittel mit dem kleinen, glänzenden Namensschild des Supermarktes, der einem sagt, dass man es mit Alexi Laiho zu tun hat, sieht recht merkwürdig an einem Mann aus, der sonst nur schwarze Lederkleidung trägt. Alexi ist durch und durch Motorradfahrer und trägt lediglich hier bei der Arbeit ‚normale‘ Klamotten. Und das auch nur, weil sein Chef ihn schon zweimal abgemahnt hat.
„Super! Ich freu mich schon total auf das Wochenende. Da findet in Espoo eine Motorrad-Rallye statt und ich hab verdammt gute Chancen, zu gewinnen. Das wird der Hammer! Magst du nicht auch kommen mit deinen Kids? Dann könntet ihr mich anfeuern. Umso mehr da sind, umso besser. Ihr kriegt auch Freikarten von mir!“
Ich muss lachen. Manchmal ist der jahrelange Freund unserer Familie echt schlimmer als meine fünf Blagen zusammen.
„Immer mal mit der Ruhe, Kleiner“, den bösen Blick übersehe ich geflissentlich, „ich kann leider nicht. Perttu hat ein Fußballspiel und da muss ich als Mutter doch dabei sein. Ich kann ja mal Tuomas fragen, ja?“
Ein fragender Blick noch und dann muss ich mich weiter um das Leeren meines Einkaufswagens kümmern. Sonst kriege ich womöglich noch eine tiefgefrorene Ente in den Rücken gerammt, weil ich den ganzen Betrieb aufhalte. Keine schöne Vorstellung.
„Oh ja, das wär klasse! Dann kann ich mit ihm auch meinen Sieg feiern. Wir waren schon lange nicht mehr zusammen trinken. Manchmal bedauere ich das schon, dass ihr so viele Kinder habt. Vorher konnte man euch noch viel öfter mal spontan zu einer Party abholen. Also nicht, dass ich die kleinen Rotzlöffel nicht mag, aber…“
„Alexi?“, unterbreche ich ihn, „Halt die Klappe und scann meine Sachen ein.“
Angesprochener streckt mir nur die Zunge heraus und beginnt dann schmollend, die Waren über den Scanner zu ziehen. Grinsend räume ich die Tüten, Flaschen, Tetrapacks oder Kartons wieder in den Wagen zurück. „Tu nicht so, als wärst du jetzt beleidigt.“
„Bin ich aber, mit dir rede ich kein einziges Wort mehr. Du behandelst mich ja wie dein Kind! Dass ich so was noch erleben muss… Da tut und macht man jahrelang für die Familie und dann wird einem das Reden verboten. Das ist wirklich unfassbar! Wie schnell sich doch alles verändert…“
„Ach weißt du, manchmal muss ich tatsächlich erst überlegen, ob ich jetzt gerade Ville oder dich vor der Nase habe. Und dann denk ich mir wieder: ‚Ne, das muss Alexi sein, Ville ist dann doch vernünftiger‘.“
Diesen Satz konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Er antwortet mir mit einem Blick; theoretisch müsste ich augenblicklich tot umfallen.
„Das macht sechsundvierzig-dreißig! Und zwar dalli, ich hab noch andere Kunden.“
Grinsend halte ich ihm meine Bankkarte entgegen. „Aber gerne doch, Wildchild.“
Jetzt muss auch er wieder grinsen. Wenn auch nur ein wenig. Alexi ist stur, er will nicht zugeben, dass ihn dieser Kosename immer wieder amüsiert.
„Wuff, wuff, wuff!“, schallt es mir entgegen, als ich mit dem Auto auf unserer Auffahrt parke. Wie gut, dass wir nicht direkt in einem dicht besiedelten Wohngebiet leben, sonst hätte das wahrscheinlich schon oft Ärger gegeben. Nicht alleine wegen Lordi, auch die Kinder und Lauri machen viel Krach.
Aber wie dem auch sei, erstmal den ganzen Einkauf ins Haus schaffen und dann wegräumen. Noch eben das Radio in der geräumigen Küche angeschaltet und schon wird ausgepackt. Lordi will mir tatkräftig zur Seite stehen. Gar nicht so leicht, ihn davon abzuhalten. Manches Mal frage ich mich echt, wer den Hund so versaut hat, was die Erziehung angeht.
‚Raaaaatsch‘
„Boooah Lordi! Musste das sein? Ich muss dir unbedingt die Krallen kürzen, das ist ja unmöglich!“
Der liebevolle, verschmuste Rüde hat es doch tatsächlich hinbekommen, eine der Einkaufstaschen der Länge nach aufzureißen und jetzt kullern Dosen, Packungen und eine Tüte Chips über den Küchenfußboden. Ich sag ja, ich muss ihm dringend die Krallen schneiden. Merkwürdigerweise wachsen die bei ihm super schnell und laufen sich auch nicht von alleine ab, wenn er über Asphalt oder ähnliches geht.
‚Drrrring! Drrrring!‘
Okay, damit wäre mein Plan, sich noch fünf Minuten hinzusetzen, bevor ich mit dem Vorbereiten des Mittagessens beginnen muss, hinüber. Man sollte Herrn Bell nachträglich dafür erschießen.
„Turunen?“
Ja, ich habe noch immer meinen Geburtsnamen. Ich fand Holopainen nicht schön, Tuomas fand Turunen zu weiblich und die beiden als Doppelnamen sind eindeutig zu lang. So haben wir uns darauf geeinigt, jeweils unsere Namen zu behalten.
„Pakarinen vom Ich-Will-Quatschen-Verlag. Sehr geehrte Frau Turunen. Sie sind die glückliche Gewinnerin einer Kreuzfahrt. Könnten wir einen Termin abstimmen, um sämtliche Details persönlich zu besprechen?“
Ich muss lachen. „Du bist zu goldig, Hanna. Wie fallen dir nur immer wieder solche Geschichten ein?“
„Ich bin eben kreativ. Also was ist: Treffen? Wir zwei? Jetzt?“
Hanna Pakarinen ist meine beste Freundin, mit der ich alles, aber auch wirklich ALLES berede. Manchmal glaube ich, sie weiß mehr von mir als ich selber. Leider sind wir in letzter Zeit nicht so oft dazu gekommen und Hanna scheint das jetzt wohl nachholen zu wollen. Ich schaue auf das Radio: zehn Uhr sieben.
„Wenn du mir eine halbe Stunde gibst, kein Problem. Wo treffen wir uns denn?“
„Hmm, im Siilinkari um viertel vor elf?“
„Gebongt. Dann bis gleich.“
Wir verabschieden uns und ich verschwinde direkt runter in die Waschküche. Die Maschine ist durchgelaufen, sodass ich Perttus Trikot zusammen mit den anderen Kleidungsstücken in den Trockner werfen kann. Und gleich noch eine zweite Waschmaschine anschmeißen. Bei der Masse an dreckiger Wäsche, die dieser Haushalt produziert, muss ich am Ball bleiben.
Einige Stunden später sitzen wir schon gemütlich bei der gefühlten hundertsten Tasse Kaffee und Hanna erzählt mir gerade von ihrem neuen Freund. Oder sagen wir besser eventuell, hoffentlich bald Freund.
„Aki ist sooo toll, glaub’s mir. Seine kurzen, schwarzen Haare sind super weich und er riecht immer so berauschend. Nur seine Kontaktlinsen sollte er lieber wieder in eine Brille wechseln. Steht ihm besser.“
„Aaach, also in seinen Haaren hast du auch schon rumgewuschelt, ja?“, necke ich sie grinsend. Ich liebe es, wenn sie rot wird und genau das passiert gerade.
„Nicht so laut! Ja, hab ich. Als wir am Samstag im Kino waren, hab ich einfach den Kerl gespielt und meinen Arm um seine Schulter gelegt. Er hatte sich wohl nicht so recht getraut. Voll putzig, sag ich dir! Na jedenfalls habe ich dann auch ein wenig mit den Haaren rumgespielt.“
„Das passt zu dir. Typisch die kleine Hanna, die der gesamten Männerwelt durch ihre toughe Art die Köpfe verdreht. Und wie geht das jetzt weiter bei euch?“
„Na weiß ich nicht. Das macht mich ja so wibbelig.“
„Du bist immer wibbelig, meine Liebe“, gebe ich zu bedenken.
„Ja, nein. Ach du weißt genau, was ich meine! Am Mittwoch haben wir uns zum Essen verabredet. Vielleicht kommt er danach ja noch mit zu mir oder ich quartier mich bei ihm ein oder so.“
„Also willst du mit ihm schlafen?“
„Jop, unbedingt. Wahrscheinlich hältst du mich jetzt für verrückt, aber ich habe mich in den äußerst gutaussehenden Aki Hakala verliebt.“
Ihre Augen sagen mir, dass es die Wahrheit ist. Also nicht, dass sie mich anlügen würde. Aber Zweifel bleiben bei mir trotzdem bestehen.
„Aber du kennst ihn doch erst drei Wochen. Überstürze bitte nichts, ja?“
„Ich doch nicht! Und darf ich dich daran erinnern, dass du Tuomas damals auch gerade mal knapp drei Wochen kanntest und ihr sogar schon nach einem Jahr geheiratet habt?“
Ich verfalle leicht in Erinnerungen und lächle dabei. Oh ja, das waren verdammt schöne Zeiten vor zehn Jahren… „Aber das muss nicht unbedingt heißen, dass du auch so ein verdammtes Glück hast. Obwohl ich dir das natürlich vom ganzen Herzen gönne, das weißt du.“
„Ja, weiß ich. Ach komm her, du bist doch die Allerbeste!“
Damit zieht sie mich zu ihr und umarmt mich feste. Ich lege auch meine Arme um sie, wodurch mein Blick eher zufällig auf meine Armbanduhr fällt.
„Ach du Schreck. Hanna, tut mir ja schrecklich leid, aber ich muss los. Sammy hat wieder Mist gebaut und jetzt will der Valo mich schon wieder sprechen. Wir telefonieren, ja?“
Ich drücke Hanna noch einen Schein in die Hand für meine getrunkenen Kaffees und flitze dann schon Richtung Auto.
Den Weg in Sammys Klassenzimmer kenne ich inzwischen schon fast besser als den Waldweg von unserem Haus zum benachbarten See.
Vor der Tür sitzt Sammy: die Arme verschränkt, den Blick gesenkt.
„Schlechtes Gewissen, oder wie darf ich das deuten?“
Der blonde, junge Mann sieht auf. „Wieso sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? Ich habe ja schließlich gar nichts gemacht! Das war doch…“
„…Samu, ja, ich weiß“, unterbreche ich Sammy, „Dürfen wir schon rein oder warum sitzt du hier draußen?“
„Ne, Herr Valo redet noch mit Samus Eltern.“
Doch just in diesem Augenblick geht die Tür auf und entlässt eine dunkelhaarige Frau, gefolgt von einem blonden Mann und dessen ebenfalls blondem Sohn. Beide Elternteile sind perfekt gestylt in Hosenanzug und Rock mit Blazer. Ein bisschen zu sehr aufgemotzt, wenn ihr mich fragt. Samu beäugt Sammy im Vorbeigehen bis ins kleinste Detail, was meinen Sohn schon wieder fürchterlich annervt. Ich lege ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
„In Ordnung, Frau Häkkinen-Haber und Herr Häkkinen. Ich denke, wir haben dann alles besprochen. Und Samu? Denk an die Musikhausaufgaben.“
Der Herr der Familie setzt sich seine Sonnenbrille auf die Nase und schon verschwinden sie aus dem Schulgebäude. Herr Valo wendet sich mit einem freundlichen Lächeln an mich.
„Ah, schön Sie zu sehen, Frau Turunen“, ein Seitenblick richtet sich an Sammy, „oder vielleicht auch nicht so schön. Na, kommen Sie erst einmal herein.“
Ich setze mich auf einen der Stühle in der ersten Reihe. „Haben Sie heute einen privaten Elternsprechtag eingeführt?“, frage ich verwundert.
Der Lehrer mit dem restlos zutätowierten rechten Arm lacht. Ich muss zugeben, dass sich das ziemlich schön anhört.
„Nein, ich habe nur gerade eine Freistunde und da bieten sich solche Gespräche ja dann an. Also kommen wir mal zum Thema. Ich denke, Sammy hat Ihnen bereits erzählt, worum es ging?“
„Er hat sich mal wieder mit Samu geprügelt, oder?“
„Ja, richtig. Und so langsam häufen sich die unangenehmen Dinge. Ist er zu Hause auch auffällig?“
„Entschuldigung, aber ich sitze daneben. Sie brauchen nicht über mich zu reden, als wäre ich ein Gegenstand.“
„Das tut doch auch niemand“, versuche ich Sammy wieder zu beruhigen, bevor ich dem Dunkelhaarigen antworte, „Nein, eigentlich nicht. Ich meine, mit fünf Kindern gibt es immer mal Raufereien und gerade in dem Alter sind die Kids ja nun auch nicht immer einfach, aber davon abgesehen ist alles in Ordnung.“
„Okay. Sammy, warum kracht das denn in letzter Zeit so oft mit Samu?“
„Na, weil der ein Idiot ist. Nervt mich immer und redet Deutsch, wenn ich was nicht hören soll. Das geht mir auf den Sack!“
„Sammy, sprich ordentlich!“, ermahne ich ihn, aber Herr Valo übergeht das gekonnt. Er ist das wahrscheinlich schon gewohnt.
„Dann versuche doch einfach mal, ihm aus dem Weg zu gehen. Ich habe euch ja schon weit auseinander gesetzt, doch was ihr in den Pausen macht, kann ich natürlich nicht überwachen.“
„Aber was soll ich denn machen, wenn der ständig zu mir kommt? Ich lass mich schließlich nicht veräppeln von der halben Portion!“
„Deswegen habe ich eben ja auch schon lange mit Samu geredet. Versuch das einfach mal, okay?“
„Ja, gut…“ Sammy klingt gelangweilt.
Herr Valo spricht dann noch an, dass Sammys Leistungen in Finnisch etwas nachgelassen haben. Ich verspreche mich darum zu kümmern und schon dürfen auch wir wieder gehen.
„Und dass du mir nicht nächste Woche schon wieder mit einem Zettel nach Hause kommst, klar?“
„Ja…“, kommt es leise von meinem Sohn, als er in das Auto steigt.
Zu Hause steht die Wohnungstür sperrangelweit auf. Erschrocken darüber würge ich doch tatsächlich das Auto beim Parken ab, weil ich den Fuß von der Kupplung nehme, noch bevor ich den Zündschlüssel gedreht habe.
„Was zum Teufel ist denn hier passiert?“
Sammy sieht genauso erschrocken aus und folgt mir nur zögerlich zum Haus.
Von draußen sehe ich drei Schultaschen im Flur liegen. Die mit den ganzen Comic-Superhelden gehört Perttu, die einfarbig Schwarze mit diversen Band-Aufnähern gehört Matti, das weiß ich auch. Aber wessen Tasche ist denn bitte schön quietschpink mit Leomuster?!
„Matti? Perttu? Seid ihr da?“, rufe ich durch die offenstehende Tür.
Lordi kommt mir sofort entgegen gesprungen und heißt mich lautstark willkommen. Abwesend streiche ich ihm über den Kopf, warte aber noch immer auf Antwort.
Die kommt auch!
Und zwar in Form eines schon jetzt recht hochgewachsenen Jungen in pinker Jeans, einem rötlich-rosafarben angehauchten Netzoberteil und einer schwarzen Weste darüber. Dazu trägt er eine ebenfalls pinke Mütze auf dem Kopf, mit der er ein wenig Ähnlichkeit mit einem der Schlümpfe hat. Wer zum Teufel ist das?
„Hi, Frau Turunen! Perttu und Matti-Hasi Mikojan kommen gleich runter.“
„Jukka?“, frage ich ungläubig, aber tatsächlich ist er das, wenn ich näher hinsehe, „Ich hätte dich ja fast gar nicht erkannt.“
„Perfekt, dann klappt das ja mit meiner Typveränderung.“
Und schon flitzt er wieder nach oben. Moment mal…
„Matti-Hasi Miko-was?!“
Sammy neben mir sieht mich genauso verwirrt an, was sich bei ihm aber schnell wieder gibt. Das ist natürlich jetzt ein gefundenes Fressen für kleinere Brüder. Oh je, ich ahne Schreckliches!
Doch viel Zeit, um darüber nachzudenken, habe ich gar nicht. Ich muss jetzt sehen, dass ich in Windeseile das Abendessen vorbereite, um Ville noch vom Kindergarten abholen zu können, bevor ich Perttu zum Training fahren muss. Um Himmels Willen, was für eine Hektik!
Noch während ich den Sack Kartoffeln aus dem Unterschrank heraus befördere, trampelt jemand lautstark die Holztreppe hinunter.
„Perttu trampel nicht so! Perttu trampel nicht so!“, kreischt es aus dem Wohnzimmer und ich muss grinsen. Endlich mal sagt unser Vogel was Vernünftiges.
„Ach halt doch die Klappe, Lauri! Mama? Wo ist mein Trikot? Du wolltest es mir auf’s Bett legen, aber da ist nichts!“
„Ach Gott, ja. Entschuldige bitte. Ich hab’s vergessen. Es ist unten im Trockner, kannst du dir ja selber raus holen.“
Perttu verdreht die Augen und macht sich auf in Richtung Kellertreppe.
„Alles muss man hier selber machen! Die arbeitet doch nicht mal, wieso schafft sie es nicht, ein lächerliches Trikot auf mein Bett zu legen…“
„Noch ein Wort, mein Freund, und du kannst dir dein Spiel am Wochenende in die Haare schmieren!“
Jetzt ist nur noch ein leichtes Grummeln zu hören. Ob das jetzt an der Tatsache liegt, dass er bereits im Keller ist, oder weil er aufgehört hat zu mosern, weiß ich nicht. Ich befürchte Ersteres.
Inzwischen haben wir kurz vor vier. Die Hälfte meiner Rasselbande ist vorerst durch Brot mit Aufschnitt gesättigt, Ville ist gerade eben auf dem Sofa eingeschlafen und ich muss mich sputen, sonst schaffe ich es tatsächlich noch, Perttu zu spät zu seinem Training zu fahren. Nicht auszudenken, was das für einen Ärger geben würde.
„Mama, jetzt komm schon!“
„Ja doch, sofort“, ich drehe mich wieder zu Matti und Jukka um, „Matti, du bist bitte so nett, ein Auge auf Ville zu haben. Du weißt, wie unausstehlich er wird, wenn man ihn weckt. Ich bin ja nicht lange weg, okay?“
„Wenn’s denn sein muss. Eigentlich wollten Sör und ich an unserem Song rumfeilen.“
„Ihr könnt Gitarre spielen, wenn wir wiederkommen. Oder ihr spielt leise hier unten. Das müsst ihr wissen. Wir fahren dann jetzt erst mal.“
Am Sportplatzrand tummeln sich einige Eltern und bei dem schönen Wetter macht das zur Abwechslung auch mal Spaß. Letzte Woche hatte es geregnet, das war eher weniger schön. Also geselle ich mich fröhlich zu den meist männlichen Elternteilen. Es ist wirklich unglaublich, wie stolz Väter auf ihre Söhne sein können. Glaubt’s mir!
„Hey Tarja! Na wie isset?“
„Hallo Mikko! Alles klar, wie immer. Und bei dir so?“
Der wibbelige, junge Mann mit etwas längeren, blonden Haaren stellt sich neben mich an den Zaun und trommelt etwas mit den Fingern auf der Eisenstange herum.
„Bestens, bestens. Nur Eicca ist zurzeit schrecklich. Ich wusste gar nicht, dass ein einziger Teenager so verdammt viel nerven kann.“
Ich muss lachen. „Kenn ich. Einer von meinen hat immer gerade diese Phase.“
„Dass du das auch mit so vielen Kerlen aushältst… unglaublich! Was ist dein Geheimrezept? Sag’s mit, bitte!“
„Starke Nerven, einen tollen Ehemann und Ohrstöpsel.“
Jetzt lacht auch Mikko und wir verfolgen das Training. Gerade zur rechten Zeit, denn genau in dem Moment grätscht Perttu einem weiteren Jungen zwischen die Beine, sodass dieser mit einem Aufschrei zu Boden geht. Paavo, der Trainer, greift sofort ein und verwarnt Perttu, kümmert sich dann aber um den Jungen. Er hält sich sein Bein und den Rufen nach zu urteilen tut es ihm ziemlich weh. Ein Mann in einem lässig aufgeknöpften, weißen Hemd, schwarzer Weste und dazu passender Hose stürmt auf das Spielfeld. Seine schwarzen Locken wippen bei jedem Schritt. Den kenn ich noch gar nicht.
„Sag mal, wer ist das?“, frage ich Mikko verwirrt.
„Der Kerl, der in den Dauerwellen-Pott gefallen ist?“, ich nicke, „Vivian Sin’Amor. Hast du den etwa noch nie hier stehen sehen?“
„Ehrlich gesagt, nein.“
„Der ist doch mit Katra verheiratet, diese Rothaarige.“
„Achsooo, sag das doch gleich! Deswegen rennt er wie von der Tarantel gestochen auf’s Feld.“
„Korrekt. Sein armes, kleines Theon-Baby ist schließlich verletzt.“
Wir müssen beide lachen. Nicht das wir uns generell über alles und jeden hier lustig machen würden, aber Vivian, Katra und Theon sind dafür einfach wie geschaffen. Die beiden verhätscheln und vertätscheln ihren Sohn fürchterlich, wodurch der schon hochnäsig wie sonst was geworden ist. Tut mir richtig leid für Theon, er war mal ein ganz lieber Junge.
Im Auto sitzt Perttu deprimiert auf dem Beifahrersitz und guckt nach draußen.
„Was ist los? Seit wann entwickelst du solche Schuldgefühle und dann auch noch gerade für Theon?“
„Was?! Ach Quatsch, ich find es beschissen, dass Eicca am Samstag nicht mit dabei ist. Nur, weil er heute nicht so einen perfekten Tag hatte… Das ist doch unfair!“
„Perttu, lass dir eins gesagt sein: Das ganze Leben ist unfair, das wirst du auch noch merken.“
Ein kurzes Grummeln von der rechten Seite und es ist wieder still im Auto.
Gerade, als Perttu die Haustür schließen will, höre ich ein Hupen. Warum muss sich Jack eigentlich immer so bemerkbar machen, wenn er meinen Mann nach Hause bringt? Jeden Morgen und jeden Abend hupt er. Ich dachte mal, ich gewöhne mich daran, aber irgendwie tu ich das nicht.
„Lass auf, dein Vater kommt gerade.“
Perttu schaut nach draußen, winkt kurz und geht schmollend hoch in sein Zimmer.
Tuomas steigt aus dem vollen Auto und verabschiedet sich von Jonne Aaron, Jack Smack und Jussi Selo, seine Arbeitskollegen an der Musikhochschule. Dann düsen die Drei wieder von unserem Hof.
Tuomas stellt seine Tasche wieder einmal auf die erste Stufe vor unserer Haustür und umarmt mich lächelnd.
„Na, wie war dein Tag, Kulta?“
Ich seufze. „Wie immer: stressig. Manchmal möchte ich gerne mit dir tauschen. Ich glaube, deine Lesungen sind mehr entspannend, als nicht zu arbeiten.“
Ein wunderschönes Lachen antwortet mir. „Nicht, wenn du Studenten wie Juha Kylmänen hast, glaub mir. Der kann einem mehr als nur Löcher in den Bauch fragen.“
Ich piekse ihm grinsend in den Bauch, was Tuomas zurückweichen lässt.
„Hör auf, das kitzelt.“
Gekonnt nicht auf den letzten Satz eingehend, mache ich weiter. „Aber immerhin hat mir dieser Juha noch Bauch übrig gelassen.“
Tuomas versucht lachend meine Hände festzuhalten, was er dann aber aufgibt. Dafür nimmt er seine Tasche und presst sie sich vor mein Zielobjekt. Schade…
„Und wie war dein Tag so?“
„Teils so, teils so. Juha hat – wie gesagt – genervt, Petri Lindroos wusste mal wieder alles besser und Anette Olzon hat mir ihrer Plastikflasche die gesamte Vorlesung gestört. Also wie immer.“
„Och du Armer! Na komm mal schnell mit rein, Essen ist gleich fertig.“
„Hmm, was hast du denn Schönes gezaubert?“
„Lass dich überraschen, Liebling.“
Ich greife nach Tuomas‘ Hemdkragen und ziehe ihn so weit zu mir herunter, dass ich ihn küssen kann. Warum ist der Kerl auch so groß? Oder ich so klein?
„Mama, darf Sör bis zum Essen bleiben?“
Mattis kugelrunden Augen sehen mich flehend an. Ich bin allerdings über diese Frage verwirrt.
„Ich dachte sowieso, dass er solange bleibt. Immerhin ist das Essen gleich fertig.“
„Supiii!“
Kopfschüttelnd pieke ich eine Kartoffel an, um zu sehen, ob sie gar ist. Und das ist sie. Dabei fällt mir gerade ein, dass ich Jussi nach der Schule noch gar nicht hier gesehen habe. Wo ist der denn jetzt?
Doch auch die anderen Personen, die sich zurzeit in diesem Haus aufhalten, wissen das nicht. Hmm… Aus meiner Tasche im Flur fische ich mein Handy und will gerade bei Jussi anrufen, da sehe ich, dass dieser mich bereits dreimal versucht hatte, zu erreichen. Hä? Ich rufe zurück.
„Oh, hi Mama. Hattest du dein Handy mal wieder auf Lautlos?“
„Ähm… ja.“, gebe ich zu, „Aber wo bist du, ist die viel wichtigere Frage!“
„Deswegen wollt ich dich ja anrufen. Ich bleib bei Jyrki, weil wir eh ein Referat machen mussten und gerade eben erst fertig geworden sind.“
„Ach so. Aber morgen bist du wieder hier, ja?“
„Klar! Aber du, hier gibt’s jetzt Essen. Bis morgen.“
„Bis morgen!“
Seufzend schütte ich die Kartoffeln ab und richte sie zusammen mit der Soße, den Schnitzeln und dem Gemüse auf unserem großen Esszimmertisch an.
„Essen ist fertig!“, rufe ich einmal durch das ganze Haus.
„Lauri will auch! Lauri will auch!“
„Geh mir nicht auf den Senkel, Federvieh!“
„Beleidige meinen Vogel nicht! Der hat auch Gefühle“, meckert Matti soeben, als er die Küche beziehungsweise das Esszimmer betritt.
„Dein Vogel hat auch Hunger! Und wann hast du seinen Käfig zuletzt sauber gemacht? Matti, das geht so nicht. Los, Futter gibst du ihm jetzt noch und nach dem Essen machst du sofort seinen Käfig, klar?“
„Aber Sör ist d…“
„Nichts, ‚Sör ist aber da‘. Du wirst das machen und zwar so, wie ich das sage.“
Nörgelnd trollt er sich, während sich Ville, Perttu, Jukka, Sammy und Tuomas an den Tisch setzen.
„Es riecht mal wieder vorzüglich, Schatz“, schwärmt mein Liebster und gibt mir noch einen Kuss, bevor er sich von allem etwas auf den Teller tut.
„Matti lieb! Matti lieb!“, kreischt es aus dem Wohnzimmer und dann setzt sich auch Matti mit an den Tisch.
„Vielen Dank. Lasst es euch schmecken.“
„Ach, ich soll dich übrigens fragen, ob du nicht am Wochenende zu einer Motorradrallye kommen magst und danach Alexis grandiosen Sieg feiern willst“, frage ich Tuomas, bevor ich das noch vergesse.
„Alexi? Aber ist nicht auch dieses Fußballspiel in Espoo, Perttu?“
Wie bitte? Wieso, bitte schön, weiß mein verehrter Gatte so was, obwohl er den ganzen Tag arbeitet und ich nicht?! Vielleicht hatte Perttu ja doch Recht, mit dem ‚Mama, du wirst alt‘. Absolut keine schöne Vorstellung!
Niedergeschlagen löffelt Perttu sich etwas Gemüse auf den Teller. „Ja schon, aber ich weiß noch nicht, ob ich da hingehe…“
„Nicht? Aber du wolltest doch unbedingt dahin. Hast du heute Morgen jedenfalls noch groß und breit erzählt.“
Und warum weiß Tuomas auch das? Der war doch schon längst aus der Küche verschwunden, als Perttu mit dem Spiel anfing. Ich verstehe so langsam die Welt nicht mehr.
„Weil Eicca nicht mit darf. Als ob Eicca nicht auch mal einen schlechten Tag haben darf. Vor allem ist das doch auch viel besser, wenn’s heute schlecht läuft. Wenn die Generalprobe scheiße ist, klappt dafür die Premiere wie am Schnürchen, aber neeeeiiiiiiiin!“, regt sich Perttu auf, worauf sich Matti gleich einmischt.
„Nun komm aber mal wieder runter. Du kannst doch auch einmal ohne deinen Schatzie auf dem Feld stehen.“
Matti will seinen Bruder mal wieder mit der Tatsache aufziehen, dass er sehr viel mit Eicca unternimmt. Nur kriegt er das gleich zurück, allerdings von Sammy, der schneller antwortet, als Perttu Luft holen kann:
„Du sei mal schön still, Matti-Hasi!“
Matti schnappt nach Luft doch dieses Mal empört sich Jukka: „Hey! Nur ich darf ihn so nennen, klar?“
„Schluss!“, erhebt Tuomas seine Stimme und sieht jeden seiner Söhne und Jukka nach der Reihe an, „Es wird gegessen und nicht gestritten. Also Ruhe.“
Tatsächlich verläuft das restliche Vertilgen der Mahlzeit still. Wenn man mal davon absieht, dass Ville zweimal seine Gabel fallen lässt und gefühlte hundertmal behauptet, er würde keine Schnitzel mögen. Am Ende putzt er seinen Teller aber restlos leer. Kinder!
Sammy und Perttu haben heute Tischdienst. Gefällt ihnen zwar absolut nicht, aber was ist so schlimm daran, die dreckigen Teller und das Besteck in die Spülmaschine zu stecken und die Essensreste hundesicher zu verstauen? Eben, gar nichts!
„Ach, und gebt ihr Lordi dann noch sein Futter?“
„Warum das denn auch noch?“
„Weil deine Mutter das gesagt hat, Sammy. Basta!“
Mir einem dankbaren Blick an meinen Mann, wende ich mich an Matti: „ Und du k…“
„…kümmere mich um Lauris Käfig, ja doch!“
„Sehr schön, seid ihr ja doch gut erzogen.“
Die Kinder verdrehen die Augen und Ville springt freudestrahlend von seinem Stuhl. Seine flinken Beinchen bringen ihn mir nichts, dir nichts ins Wohnzimmer, wo er gleich den Fernseher einschaltet.
Seufzend stehe ich auf, doch Tuomas hindert mich daran, dem Kleinen hinterher zu flitzen.
„Lass mal, ich mach das schon.“
Hmm, Tuomas lässt mal wieder den Vater raushängen… gefällt mir!
So kann ich nämlich dann die Wäsche aufhängen, die seit heute Mittag im Trockner liegt… fällt mir leider gerade in diesem Moment ein. Was für ein Mist! Also ab in die Waschküche.
Und was passiert? Natürlich, noch aus dem Keller heraus höre ich den Kleinsten unserer Rasselbande weinen. Da versucht sein Papa ihm wohl gerade den Schlafanzug anzuziehen. Ich grinse den Wäschekorb vor mir an und male mir die Szene bildhaft aus. Und so wie sich das anhört, liegen sich Sammy und Perttu auch schon wieder mal in den Haaren. Hach, was für ein Leben!
Ganze zwei Stunden später ist Ville im Bett, Jukka ist von seinem Vater Tommi abgeholt worden und Sammy, Perttu und Matti sind jeweils in ihren Zimmern. Endlich kehrt Frieden hier ein. Die Arme nach oben drückend, strecke ich mich ausgiebig und wollte eigentlich ins Wohnzimmer gehen, doch zwei Arme, die sich um meinen Bauch schlingen, halten mich davon ab. Grinsend lege ich meine Hände auf die von Tuomas und drehe meinen Kopf, so weit es geht, zur Seite. Diese herrlich blauen Augen blicken mich verführerisch an. Ich drohe in ihnen zu versinken.
„Weißt du noch, was ich dir heute Morgen versprochen habe?“
Jetzt drehe ich mich doch in Tuomas‘ Armen um und verschränke die meinen in seinem Nacken.
„Natürlich. Aber dass du das auch noch weißt…“
„Hey, nicht frech werden hier, Madame!“
„Tut mir Leid, Liebling. Und was machen wir mit den Kindern?“
„Die sind sowieso gerade damit beschäftigt, das Internet unsicher zu machen, weißt du doch.“
„Stimmt. Na dann…“
Ich komme Tuomas nur zu gern entgegen, bis sich unsere Lippen berühren. Er zögert auch keine Sekunde, sondern lässt seine Zunge direkt hervorschnellen. Hmm… Forsch, der Junge heute! Seine Hände wandern von meinem Rücken hinunter auf meine Hüften, aber bevor er sich noch weiter vorwagt, löse ich mich leicht von ihm.
„Hey, nicht schmollen, Liebling“, grinse ich, hauche Tuomas noch einen Kuss auf die Lippen und ziehe ihn dann hinter mir her die Treppen nach oben. Und endlich beginnt der äußerst angenehme Teil des Tages. Mit einem verheißungsvollen Grinsen schließe ich die Tür. Auf dass ich die nächsten Stunden dieses Zimmer nicht mehr verlassen werde...
The End
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Ich möchte noch anmerken, dass der Text zu Anfang aus dem Lied 'Highway to Hell' von ACDC. Nicht, dass mir noch unterstellt wird, ich würde hier fremdes Eigentum als Meines auszugeben
Und ansonsten hoffe ich, dass es Spaß gemacht hat, das durchzulesen