suuuu und hier das nächste Kapitelchen
13. Ist das dein Ernst?Auf dem Schulhof ist schon wieder einiges los, als ich eben jenen einmal überquere um zu der Steintreppe zu gelangen, auf der Perttu und ich uns immer treffen. Mit dem Blick auf meinen iPod gerichtet, damit ich die Musik ausmachen kann, gehe ich Schritt um Schritt weiter, bis sich mir jemand in den Weg stellt. Verwundert sehe ich auf, lächle aber einen Wimpernschlag später aufrichtig.
„Guten Morgen“
„Morgen mein Eicca“, strahlt mir Perttu entgegen, „Und bist du gestern noch gut nach Hause gekommen?“
Ich nicke lächelnd. „Jop, war alles okay.“
„Das ist schön. Sag mal Jack hat eben was von Mathehausaufgaben gebrabbelt. Weißt du was davon?“
Ich fange an zu grinsen. „Ja, gestern Abend hab ich die noch schnell gemacht. War Aufgabe dreizehn, da hatten wir doch in der Schule schon mit angefangen, weißt du noch?“
„Oh... darf ich schnell abschreiben?“
„Klar.“ Also wühle ich das Mathematikheft aus dem Rucksack und zusammen setzen wir uns auf die Steintreppe. Dadurch, dass die meisten zu faul sind um draußen zu sein, sind auch wenig Lehrer auf dem Schulhof, also ist die Gefahr erwischt zu werden dementsprechend gering.
Ich diktiere Perttu gerade die letzten paar Rechenschritte, als hinter uns im Gebüsch etwas raschelt. Blitzschnell schlagen wir beide Heft und Buch zu und bemühen uns um einen unschuldigen Gesichtsausdruck, als plötzlich Kirsi auf die Treppe gesprungen kommt. Verdattert sehen wir sie an.
„Warum kommst du mitten aus dem Wald?!“
Ja, das würde mich auch mal interessieren.
„Na, ich wohne direkt auf der gegenüber liegenden Seite von diesem Wald, warum sollte ich also drum herum laufen, wenn es quer durch doch viel kürzer ist.“
Ich nicke. Ja, das klingt einleuchtend.
Perttu schlägt sein Heft wieder auf um die Aufgabe noch fertig zu bekommen, was Kirsi nicht entgeht.
„Ach Mathe. Siehst du, Eicca, ich wollte mich auch noch mal für deine Hilfe gestern Abend bedanken. Ohne dich hätte ich das nie hinbekommen.“
Im selben Moment fällt Perttu der Stift aus der Hand; er sieht mich durchdringend an, sagt aber nichts. Dann hebt er nur seinen Stift wieder auf und schreibt die Zahlen zuende.
„Ist doch kein Problem. Wenn du’s jetzt verstanden hast, ist doch gut.“
Perttu schmeißt sein Heft zu, stopft es zusammen mit seiner Federtasche in seinen Rucksack und sieht dann wieder zu mir.
„Wir müssen hoch, es klingelt gleich“, seine Stimme wirkt plötzlich so kalt. Irritiert sehe ich ihn an, doch er steht nur auf und wartet bis ich es ihm gleich tue.
So lassen wir Kirsi stehen, nachdem ich ihr einen entschuldigenden Blick zugeworfen habe, und gehen hoch in die Klasse. Als Perttu auf seinem Platz sitzt, greife ich nach seinem Arm und sehe ihn fragend an.
„Okay, was habe ich gemacht, dass du von jetzt auf gleich so sauer bist?“
Einen Augenblick sieht mich Perttu an, als wäre das eine total sinnlose Frage gewesen. Dabei will ich doch einfach nur wissen, was ich gemacht habe, damit ich das nicht wiederholen kann! Was ist denn daran sinnlos?
„Nichts, ich bin doch gar nicht sauer.“
Natürlich, das kann er dem Weihnachtsmann erzählen, aber nicht mir. Dafür kenne ich ihn einfach schon viel zu lange und sehe ihm genau an, wann er sauer ist.
„Perttu, ich bitte dich, so wie dir eben vor Kirsi der Zorn aus den Augen geschaut hat.“
Und wenn er das jetzt abstreitet, dann ist aber was los. Mag vielleicht sein, dass ich nicht unbedingt der Hellste in manchen Dingen bin, aber ich weiß, was ich sehe!
Doch als er gerade antworten will, wird die Tür aufgerissen und ein zerwühlter Blondschopf sprintet auf das Lehrerpult zu.
„Moi, tut mir Leid, dass ich zu spät bin…“, ein Gähnen unterbricht den jungen Lehrer, was alle als Aufforderung zum Lachen sehen. Mir ist allerdings überhaupt nicht zum Lachen zumute, „ich hab verschlafen“, mir ist eher zum Heulen zumute. Perttu sitzt zwar neben mir, aber er scheint mir so unerreichbar fern zu sein. Er hat mich eben in gewissermaßen ja sogar noch angelogen, als er alles abgestritten hat. Warum tut er das? Ich hab ihm doch gar nichts getan, oder will er mir jetzt verbieten mit allen Leuten, die irgendwie nett sind, zu reden? Das kann er nicht tun!
Ich würde jetzt gerne zu ihm herübersehen und nach Anhaltspunkten suchen, dass meine Vermutung falsch ist, aber fürchte mich ein wenig davor, was ich in seinen Augen sehen könnte. Stattdessen starre ich lieber angestrengt zu Hannu-Pekka, der gerade die Liste durchgeht um die fehlenden Schüler ins Klassenbuch einzutragen.
Dass meine Augen leicht wässrig werden, merke ich schon, aber ich will nicht, dass irgendjemand das mitbekommt. Wenn ich mir jetzt aber über die Augen wischen würde, verrät das alles. Warum kann ich nicht einfach zu ihm hinüber rutschen und seine Hand wieder mit in meine Jackentasche ziehen?
„Ok, Leute, dann holt mal eure Hausaufgaben raus. Hat irgendwer sie nicht gemacht?“
Jack meldet sich.
„Von dir hätte ich das jetzt aber nicht erwartet, Jack.“
„Ich weiß“, meint er großspurig und irgendwie kotzt mich die Art gerade ziemlich an. Können nicht einfach mal alle ihre Klappen halten und verschwinden, damit ich mit Perttu alleine bin? Immerhin hätte ich etwas Wichtiges zu klären.
„Na dann kannst du ja auch heute Nachmittag mal eine Stunde länger bleiben, um den dir entgangenen Stoff nachzuholen. Ich helfe dir auch dabei“, nein, bitte nehm ihn jetzt sofort mit und beobachte ihn bei den Aufgaben. Bitte! „Nee, quatsch, du machst die Hausaufgaben einfach zu morgen nach ok?“ Perkele… wäre ja auch zu schön gewesen.
Für meinen Geschmack zieht sich die Stunde viel zu weit in die Länge. Kann es nicht einfach mal klingeln, bitte? Hannu-Pekka kann ja schon viel erzählen da vorne und er ist ja auch lustig, will ich ja gar nicht bestreiten, aber jetzt gerade im Moment habe ich sowas von überhaupt keine Lust auf den. Ene mene meck und du bist Weg! Schade, hat nicht funktioniert.
Aber dann lässt mich etwas aufblicken:
„So, ihr wisst dann, was ich morgen von euch sehen will. Schönen Tag noch!“
Und dann klingelt es auch schon. Na endlich!
Doch Perttu stopft so schnell er kann alles in seinen Rucksack und will aufstehen. Hey, wir haben hier noch ein Problem, mein Freund. Aus dem Staub machen ist nicht. Also halte ich ihn am Arm fest.
„Perttu! Jetzt sag mir endlich was los ist.“
Der schwarze Rucksack kommt mit einem dumpfen Geräusch wieder auf dem Boden auf und Perttu sieht schweigend nach unten und zupft an seinen Stulpen. „Ich…“, setzt er zum Erklären an, als Kirsi von der Seite angehüpft kommt und sich auf den freien Stuhl neben mir setzt.
„Hei, ihr beiden, der Hannu-Pekka ist echt cool drauf, oder?“
Überrascht sehe ich zur Seite, doch sie hat gerade ihren Blick auf Perttu gerichtet.
„Oh, stör ich etwa?“
Innerlich verdrehe ich die Augen. Das war jetzt tatsächlich nicht der beste Moment, aber das kann Kirsi ja nicht wissen. Und genauso wenig soll sie wissen um was es hier gerade ging.
„Nein, nein, war nicht so wichtig“, versichere ich ihr.
Auch wenn ich das nicht so meine, aber besser so, als das sie uns am Ende noch ausfragt, warum Perttu sauer ist (wobei mich das ja auch interessiert) und warum mich das so sehr trifft.
Kirsi redet ein wenig auf mich ein, wie toll sie Hannu-Pekka doch findet und das sie ja noch nie so einen fairen Lehrer gehabt hätte und blah, blah, blah.
Mir wäre es eigentlich wichtiger mich um Perttu zu kümmern, weil er wie so ein Schluck Wasser in der Kurve da auf seinem Stuhl hängt. Aber ich kann Kirsi ja auch nicht einfach so wegschicken, das ist doch voll unfreundlich. Ach man, was für eine verzwickte Situation!
Auch die restlichen Stunden vergehen leider nicht schneller. Aber immerhin haben wir nur fünf Stunden. Und irgendwie sind diese fünf Stunden dann auch umgegangen, sodass wir jetzt Schulschluss haben.
Ich ziehe gerade den Reißverschluss meines Rucksacks zu, als etwas an mir vorbei zischt. Warum flüchtet Perttu denn jetzt schon wieder so schnell vor mir? Will er plötzlich gar nichts mehr mit mir zu tun haben? Nein, das kann er mir nicht antun! Ich muss ihn überzeugen, wieder mit mir zu reden. Aber wie? Hmm…
Aber erst mal muss ich ihn einholen.
Ein wenig außer Atem komme ich bei dem Unterstand an und sehe wie sich dort jemand an eines der letzten Fahrräder zu schaffen macht. Das kann nur Perttu sein.
„Perttu?“, rufe ich ihm entgegen und tatsächlich steht er wie von der Tarantel gestochen auf und dreht sich zu mir um.
Ein bisschen überrascht sieht er aus, was mich lächeln lässt. Tja, mir kannst du so leicht nicht entkommen, mein Lieber.
Aber jetzt darf ich nichts Falsches sagen, sonst schwingt er sich gleich auf sein Rad und ist schneller verschwunden, als ich reagieren kann. Also versuche ich ein möglichst charmantes Lächeln aufzusetzen und gehe auf ihn zu.
„Warum bist du denn so schnell weggelaufen?“
Er zuckt nur mit den Schultern und findet den Boden viel interessanter als mich. Mhm…
„Was ist denn los mit dir?“
Immer noch keine Reaktion von ihm. Aber ich will das aus der Welt schaffen! Ich möchte, dass Perttu mich wieder so lächelnd ansieht und dass er in unbeobachteten Momenten meine Hände in seine nimmt, dass er seine Arme um mich legt. Und ich möchte auch, dass er mich wieder küsst.
…Himmel, ich glaube, ich liebe Perttu tatsächlich!
„Na gut, anscheinend willst du nicht mit mir reden. Dann treffen wir uns nachher im Park und du erzählst mir alles, ok?“
Er darf jetzt nicht nein sagen, er darf nicht mal auf den Gedanken kommen. Und um genau das zu erreichen, umrahme ich aus einem Instinkt heraus sein Gesicht mit meinen Händen und hebe so seinen Kopf an. Perttu schaut mir verwirrt in die Augen, was ich mit einem Grinsen beantworte. Meine Augen rutschen hinunter zu seinen weichen Lippen und ich kann gar nicht anders, als ihm immer näher zu kommen. Ich möchte dieses leicht kribbelnd, aufgeregte Gefühl wieder spüren, wenn sich unsere Lippen treffen. Das ist so…
Doch plötzlich windet sich Perttu aus meinem Griff heraus und steigt auf sein Fahrrad. Nach einem kurzen „Ok, wir sehen uns später“ rattert sein Rad aus dem Unterstand und lässt mich zurück. Verwirrt. Überrascht. Perplex. Irgendeine Mischung aus allem.
Und so mache ich mich dann auch auf den Weg nach Hause.
Das Auto meiner Eltern kann ich auf dem Hof nicht erblicken, aber es brennt Licht in der Küche. Merkwürdig.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl schließe ich die Haustür auf, sehe aber schon im Flur Ainos Schultasche neben den Schuhen liegen. Die hat mir ja gerade noch gefehlt.
Und weil’s ja so schön ist, kommt gerade in dem Moment meine liebe, kleine Schwester (diese Ironie ist schon was Feines) um die Ecke geflitzt und sieht mich neugierig an. Aber ich ignoriere sie.
„Hallo Eicca, Bruderherz, ich wünsche dir auch einen schönen Tag. Wie war’s in der Schule?“
Ich verdrehe die Augen und ziehe mir dabei meine Jacke und Schuhe aus. „Wie immer. Wo sind Mama und Papa?“
„Papa muss nach… ähm wie heißt das noch? Ach keine Ahnung, jedenfalls für die Arbeit irgendwo hin und Mama fährt ihn gerade zum Flughafen. Was macht Perttu?“
Wie vom Blitz getroffen, sehe ich auf. „Wie kommst du darauf?“
„Ach nur so.“
Sie verschwindet wieder und einmal mehr an diesem Tag bin ich verwirrt.
Mit etwas zu essen, das meine Mutter schon vorbereitet in die Mikrowelle gestellt hatte, gehe ich in mein Zimmer und gehe noch einen Moment an meinen Laptop, bevor ich gleich wieder losfahre.
Unten klingelt die Haustür. Warum geht Mama denn nicht einfach mit dem Schlüssel rein? Na ja, interessiert mich eigentlich auch nicht.
Ich schließe gerade den letzten Schnürsenkel meiner Sneakers, als meine Schwester schon wieder anfängt zu nerven.
„Wo willst du denn hin?“
„Geht dich nichts an.“
„Mit wem denn?“
„Geht dich genauso wenig was an.“
„Und wann kommst du wieder?“
„Himmel her Gott noch eins, halt doch einfach mal deine Klappe und höre auf mich zu nerven! Ich bin weg.“
„Gut, wir auch.“
Bevor ich die Tür hinter mir schließen kann, drehe ich mich noch einmal um. „Wir?“
Aber im selben Moment beantwortet sich meine Frage von ganz alleine, als Miia nach ihren Schuhen greift. Auch das noch! Ich verdrehe die Augen und verschwinde endgültig. Nichts wie weg hier!
Ich sehe Perttus Fahrrad schon da stehen und mir fällt ein Stein vom Herzen, dass er wirklich hier ist. Hoffentlich wird gleich wieder alles gut.
So, nun schnell die Straße entlang, einmal nach rechts und dann bin ich auch schon am Eingang des Parks, bleibe aber wie angewurzelt stehen. Perttu ist tatsächlich schon da, er steht auf dem Sandweg und schaut traurig, verträumt auf das Gewirr von Ästen und Blättern. Das weiße Hemd, das aus der dunklen Jacke hervorsticht, steht ihm ungeheuer gut. Dazu seine weite Hose und die offenen Haare, die sich leicht im Wind bewegen… Wunderschön.
Ich mache einen Schritt auf ihn zu und wollte mich eigentlich anschleichen um dann einfach beide Arme um ihn zu schlingen, wenn ich bei ihm bin, aber ein verdorrte Ast auf dem Boden macht einen Plan zunichte. Er bricht unter meinem Gewicht entzwei und zeigt Perttu so an, dass sich jemand hier befindet. Dieser dreht sich auch sofort in meine Richtung.
Einen Moment bleibe ich so stehen, während der leichte Wind meine Haare durcheinander wühlt. Wozu hatte ich die noch gleich gekämmt? So warte ich einfach Perttus Reaktion ab, aber er bleibt genauso an Ort und Stelle stehen, also wage ich es den ersten Schritt zu tun.
Bei ihm angekommen, kann ich wieder nicht anders und lege ich beide Hände an diese herrlich weichen Wangen. „Bitte sei nicht mehr sauer auf mich“, flehe ich ihn an, ich kann damit einfach nicht umgehen, wenn mein Perttu nicht mit mir spricht. Und dann sehe ich ihm tief in die Augen. Ich möchte jetzt das aussprechen, was mir seit heute Morgen schon durch den Kopf geht. „Ich liebe dich!“, hauche ich an seine Lippen, bevor ich diese mit meinen verschließe.
Diese Wärme, die von ihnen ausgeht und auf mich überspringt, ist jedes Mal betörend. Ich könnte stundenlang hier so mit Perttu stehen, besonders wenn er dann auch noch so sanft seine Hände auf meinen Rücken legt.
Als wir den Kuss wieder lösen, wischt sich Perttu einmal durch’s Gesicht und dann setzen wir uns ganz nah beieinander auf die Holzbank. Ich schlinge sofort einen Arm um Perttus Schulter und lehne meinen Kopf an seinen. Ja, ich glaube dieser kleine Streit hat mir endgültig gezeigt, dass ich zu Perttu gehöre, dass ich ihn wirklich liebe und nicht mehr gehen lassen möchte.
„Warum warst du jetzt eigentlich vorhin auf mich sauer?“
„Häh? Was?“, fragt er ziemlich verdattert, was mich lachen lässt.
„Na vorhin in der Schule, schon vergessen?“
„Ach so, nein, aber ist das jetzt noch wichtig? Ich hab ein bisschen übertrieben, aber jetzt ist doch alles wieder in Ordnung.“
Zwar hätte ich eigentlich schon gerne, dass Perttu mir wirklich alles erzählt hätte, aber der Moment ist einfach zu schön um weiter zu bohren. Ich möchte die Zeit lieber mit ihm genießen.
Erst als es beginnt dunkel zu werden, einigen wir uns darauf, wieder nach Hause zu fahren.
Perttu ist schon aufgestanden und ein paar Schritte gelaufen, während ich noch vor der Bank stehe und ihm hinterher schaue. Irgendwie kommt mir das manchmal immer noch ziemlich irreal mit uns beiden vor. Vor einer Woche noch, waren wir einfach nur Freunde, die Spaß zusammen hatten, und jetzt? Tja, jetzt sind wir ein Paar und auch wenn das etwas ganz Neues ist, kann ich doch sagen, dass ich mit dem Umstand eigentlich sehr glücklich bin. Und…
„Kommst du?“, ruft mein Freund mich, woraufhin ich sofort zu ihm laufe. „Was war denn?“
Ich winke nur mit einem „ach nichts“, ab.
Perttus Augenbraue schnellt nach oben und das Fragezeichen steht ihm im Gesicht geschrieben, aber auch mein Perttulein muss nicht immer alles wissen. Deswegen lache ich nur als Antwort.
Nach der Hand meines Freundes zu greifen traue ich mich auf dem Weg zu unseren Fahrrädern dann aber doch nicht. Auch wenn ich gerne würde, aber hier ist mir das doch zu riskant. Aber dafür gehen wir eng nebeneinander her und genießen die angenehme Stille, die ich erst breche als wir am Ziel angekommen sind.
„Also wir sehen uns dann morgen in der Schule, ja?“, frage ich, weil mir irgendwie gerade nichts anderes einfällt. Warum muss er mich auch mit seinen leuchtenden Augen so… momentmal, jetzt fällt mir erst auf, warum die so stechend sind: er hat sich die Augen wieder geschminkt!
Doch als Antwort auf meine Frage, bekomme ich nur einen Kuss aufgedrückt. Halt, was heißt hier ‚nur‘?!
„War das ein ja?“, frage ich grinsend.
Aber diese Frage bleibt unbeantwortet. Und so fahren wir beide in entgegengesetzte Richtungen nach Hause.
Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen betrete ich kurz darauf den Flur unseres Hauses und entledige mich meiner Jacke und Schuhe, als ich Ainos Stimme höre.
„Ich glaub Eino ist wieder da, Mama.“
Was will die denn schon wieder, die soll ja nicht auf die Idee kommen, mir meinen wunderschönen Tag kaputt zu machen.
Aber das tut sie auch nicht, jedenfalls nicht direkt. Meine Mutter kommt nämlich aus dem Wohnzimmer geschossen und bleibt mit hochrotem Gesicht vor mir stehen. Verwirrt sehe ich zurück.
„Hat etwas mit dem Flieger nicht geklappt?“
Meine Mutter schnappt nach Luft und braust dann auch schon los.
„Wage es ja nicht vom Thema abzulenken! Wo warst du eben?“
Mit gerunzelter Stirn antworte ich: „Mit Perttu in der Stadt. Warum?“
„Dann ist es also wahr…“, murmelt sie in sich hinein und wendet sich dann wieder mir zu, „Wie kannst du nur auf den anormalen Gedanken kommen und mit Perttu… also… ach du weißt schon! Was soll das? Es laufen doch wohl genug Mädchen hier rum, oder etwa nicht?“
Völlig verwirrt, weiß ich gar nicht so genau, was hier geschieht, als ich versuche zu antworten. „Schon, aber…“, doch meine Mutter unterbricht mich gleich wieder.
„Nichts aber! Was meinst du, was dein Vater dazu sagt, wenn er erfährt, dass sein einziger Sohn schwul ist? Meinst du, das wird ihm gefallen?“
Tränen sammeln sich in meinen Augen. Warum redet meine eigene Mutter so mit mir? Ich hatte mir erhofft sie würde hinter mir stehen, mich unterstützen. Ihre Worte tun mir weh.
„Siehst du, da fängt’s schon an, jetzt fängst du schon an zu heulen, weil ich ein bisschen lauter werde. Aber so nicht, mein Freundchen. Ab sofort wirst du Perttu nicht mehr sehen! Er kommt nicht hier her, du nicht zu ihm und schon gar keine Treffen draußen in der Stadt. Verstanden?“
Mir stockt der Atem. Das ist nicht ihr ernst, oder? Nein, das kann sie nicht ernst meinen! Mit aufgerissenen Augen starre ich sie an, weil ich zu keiner Antwort fähig bin.
„Ob du das verstanden hast, will ich wissen?!“
Doch ein „ich hasse dich!“ ist das Einzige, das ich meiner Mutter noch an den Kopf knalle, bevor ich die Treppen nach oben renne und meine Zimmertür hinter mir ins Schloss krachen lasse.
Mit dem Rücken an das weiße Holz gelehnt, rutsche ich hinunter und lege beide Arme um meine angewinkelten Beine.
Ich versuche mir einzureden, dass das alles nur ein ganz böser Alptraum wäre, aber die heißen Tränen, die meine Wangen hinab laufen, zerstören mir diese Vorstellung immer wieder.
tbc.